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der Gemeinde Eckesey nicht obgelegen habe, und weil Hagen außerdem von dem Pflegefalle Kenntniß gehabt
habe. — Das Bundesamt bestätigte durch Erkenntniß vom 22. September 1883 die den Kläger abweisende
erste Entscheidung aus folgenden
Gründen:
Daß der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Pflegekosten, welche derselbe für die in der Irren-
Anstalt zu Marzberg befindliche verehelichte W. in der Annahme, daß dieselbe zu Eckesey ortsangehörig sei,
seit dem Jahre 1875 verauslagt hat, an sich zur Kognition der zur Entscheidung der Armenstreitsachen be-
rufenen Spruchbehörden gehöre, kann keinem Zweifel unterliegen. Das Bundesamt hat in dem, Wohlers
Entscheidungen Heft IV S. 83 ff. veröffentlichten Erkenntnisse den Grundsatz angenommen, daß die Zuständig-
keit dieser Spruchbehörden sich allgemein auf Streitigkeiten zwischen verschiedenen Armenverbänden über die
öffentliche Unterstützung Hülfsbedürftiger erstrecke. Der vorliegende Fall, in welchem der klagende Armen-
verband irrthümlich die Geschäfte des definitiv verpflichteten Verbandes besorgt hat, ist durchaus konform dem
von dem Reichsgesetze regelmäßig unterstellten Falle, wo der Armenverband der ihm gesetzlich obliegenden vor-
läufigen Fürsorgepflicht genügt hat; in beiden Fällen handelt es sich um einen Anspruch des thatsächlich mit
der vorläufigen Unterstützung befaßt gewesenen Verbandes gegen den zur Tragung der Kosten definitiv ver-
pflichteten Armenverband. .
Was die Sache selbst angeht, so muß der von dem Beklagten aus der verspäteten Anmeldung des
Pflegefalles hergeleitete Einwand als begründet anerkannt werden. Es ist verfehlt, wenn Kläger die Nicht-
anwendbarkeit der Vorschrift des §. 34 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 daraus herleiten zu können
glaubt, weil sich jene Bestimmung ihrem Wortlaute nach nur auf diejenigen Fälle beziehe, in welchen eine
Verpflichtung zur vorläufigen Fürsorge vorliege. Die in §. 34 a. a. O. vorgeschriebene Anmeldefrist hat den
Zweck, den zur Tragung der Kosten endgültig verpflichteten Armenverband vor der Verfolgung verspäteter
Ansprüche zu sichern und demselben die rechtzeitige Aufklärung des Sachverhalts zu ermöglichen. Sie findet
daher überall statt, wo thatsächlich nur vorläufige Fürsorge geübt ist, mag auch eine gesetzliche Verpflichtung
hierzu für den betreffenden Armenverband nicht vorhanden gewesen sein. Vergl. Wohlers Entscheidungen
Heft IV Seite 89, 90.
Eben jenes Zweckes der Anmeldung wegen ist es auch unerheblich, wenn Kläger behauptet, es habe
die Gemeinde Wehringhausen von dem Eintritte der Armenpflege für die 2c. W. durch die Ausstellung des
Reverses bereits Kenntniß gehabt, so daß eine besondere Anmeldung des Pflegefalles nicht nöthig gewesen
sei. Denn die Anmeldung soll, wie dies vom Bundesamt bereits mehrfach ausgeführt ist — vergl. Wohlers
Entscheidungen Heft XII Seite 106 — dem definitiv verpflichteten Armenverbande darüber Gewißheit ver-
schaffen, daß ein Anspruch auf Erstattung von Kosten gegen ihn geltend gemacht werde, und es
ist dementsprechend überall da, wo eine zuverlässige Mittheilung hierüber nicht gemacht war, der Ersatz-
anspruch als präkludirt erachtet — Wohlers Entscheidungen Heft IX Seite 126. — So konnte auch im
vorliegenden Falle die Gemeinde Wehringhausen, als die weitere Einforderung des Pflegegeldes unterblieb,
sehr wohl annehmen, daß die W. aus der Anstalt entlassen worden sei oder daß der Pflegefall sonst sein
Ende erreicht habe; daß die Erhebung eines Anspruches auf Kostenerstattung gegen sie bevorstehe, davon
konnte sie keine Kenntniß haben.
Aus diesen Gründen war Kläger mit seinen Ansprüchen, insoweit sich dieselben über einen Zeitraum
von 6 Monaten vor der unstreitig am 20. Mai 1882 erfolgten Anmeldung erstrecken, zurückzuweisen.