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gemäß §. 37 Absatz 1 a. a. O. das Verfahren in Streitigkeiten zwischen ihren eigenen Armenverbänden im
Wege der Landesgesetzgebung in erster wie in letzter Instanz selbständig zu ordnen. Sie haben sich vielmehr
auch für diese Streitigkeiten den in den §5. 38 bis 51 a. a. O. gegebenen reichsgesetzlichen Vorschriften
unterworfen (§. 37 Absatz 2 a. a. O.) und sich darauf beschränkt, im Wege der Landesgesetzgebung nach
Maßgabe des §. 38 Absatz 2 a. a. O. nur die Zuständigkeit, den Instanzenzug und das Verfahren innerhalb
ihres Gebiets „vorbehaltlich der Vorschriften des Reichsgesetzes“ zu regeln. Durch das Reichsgesetz
ist aber sowohl die Gerichtsbarkeit als die Zuständigkeit des Bundesamtes vollständig geordnet, insbesondere
dessen Eigenschaft als Reichsbehörde durch §s. 42 a. a. O. auf das Deutlichste zum Ausdruck gebracht.
Daran konnte auch das preußische Ausführungsgesetz nichts ändern und hat dies auch nicht gethan, vielmehr
ebenso wie die spätere preußische Gesetzgebung sich innerhalb der durch §. 38 Absatz 2 a. a. O. gezogenen
Schranken bewegt (55. 40, 57 preußischen Ausführungsgesetzes, §5. 3, 84 Nr. 3 des Verwaltungsgerichts-
3. Juli 1875 ...
gesetzes vom 2. August 1880 §. 39 des Zuständigkeitsgesetzes vom 1. August 1883).
Insbesondere wird durch den in dem Urtheil des Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenz-
konflikte herangezogenen §. 57 des preußischen Ausführungsgesetzes dem Bundesamt keineswegs die Stellung
einer Landesbehörde gegeben. Als höchste landesgesetzliche Instanz im Sinne des §. 41 des Reichsgesetzes
vom 6. Juni 1870 erscheint darnach die Deputation für das Heimathwesen, an deren Stelle im Geltungs-
bereiche des Landes-Verwaltungsgesetzes vom 30. Juli 1883 der Bezirksausschuß getreten ist. Im Uebrigen
hat man es unterlassen, eine höhere landesgesetzliche Instanz zu bilden, vielmehr der durch das Reichsgesetz
geschaffenen „kollegialischen Bundescentralstelle“ die höchstinstanzliche Entscheidung, wie solche in
interterritorialen Sachen durch §. 41 a. a. O. begründet ist, auch für die Streitsachen zwischen preußischen
Armenverbänden anvertraut, theils um dem Bundesamt ein weiteres Feld seiner Wirksamkeit zu eröffnen,
theils weil es „gerade auf dem hier in Rede stehenden Gebiete als ein schwerwiegender Mißstand zu betrachten
wäre, wenn sich demnächst zwischen den Entscheidungen der obersten Bundesinstanz und den Ent-
scheidungen der obersten Instanz des größten Bundesstaats eine Divergenz der Ansichten heraus-
stellen sollte, zu deren Lösung es an jedem Mittel fehlte“ (aus den Motiven zum preußischen Ausführungs-
gesetze, vergl. bei Arnold, Freizügigkeit und Unterstützungswohnsitz, Seite 642; 643).
Als höchste reichsgesetzliche Spruchbehörde ist das Bundesamt ausschließlich berufen, über seine Zu-
ständigkeit zu entscheiden, da es an jeder reichsgesetzlichen Vorschrift fehlt, nach welcher es in dieser Beziehung
dem Ausspruch einer anderen reichs= oder landesgesetzlichen Behörde unterworfen, beziehungsweise an denselben
gebunden wäre, wie solche z. B. für das Reichsgesetz im §. 7 des Einführungs-Gesetzes zur Civil-Prozeß.
Ordnung getroffen ist.
Sollte daher durch den oben angeführten Satz der Begründung des Erkenntnisses des Gerichtshofes
zur Entscheidung der Kompetenzkonflikte in der That zum Ausdruck gebracht werden, daß durch jene Ent-
scheidung auch das Urtheil des Bundesamts vom 16. Februar 1884 aufgehoben und das Bundesamt an
die dem Königlich preußischen Oberverwaltungsgericht übertragene Bestimmung der zuständigen Behörde ge-
bunden sein solle, — so würde das Bundesamt in beiden Beziehungen den Ausspruch der gedachten Be-
hörden als bindend nicht anzuerkennen vermögen.
Die Zuständigkeit des Bundesamtes, wie überhaupt der reichs= und landesgesetzlichen Spruchbehörden
ist durch §. 37 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 mit klaren Worten auf Streitigkeiten unter Armen-
verbänden beschränkt, — und als Armenverbände sind nach ss. 2 bis 7 a. a. O. nur die nach S§. 3 a. a. O.
gebildeten einheitlichen Ortsarmenverbände und die Landarmenverbände anzusehen, niemals aber die
einzelnen zu einem Ortsarmenverbande vereinigten Gemeinden und Gutsbezirke (§. 3 a. a. O.), oder gar die
mehreren Grundeigenthümer innerhalb eines Gutsbezirks (F. 8 des preußischen Ausführungs-Gesetzes vom
8. März 1871). — Es bedarf daher in der That nur der Feststellung der Thatsache, daß die Parteien
solche Armenverbände nicht sind, um die Unzuständigkeit des Bundesamts, in dieser Sache Entscheidung zu
treffen, erkennen zu lassen.
Die abweisende Entscheidung des Bezirksausschusses zu D. hat daher bestätigt werden müssen.
Ob jene Entscheidung den §. 21 der preußischen Verordnung vom 1. August 1879, betreffend
die Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden, verletzt, hat das Bundesamt nicht zu
untersuchen.
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