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Ein am 4. Februar 1908 im Reichsanzeiger mitgeteilter Entwurf
war nicht zur Verhandlung gelangt.
Dass man in Deutschland mit solcher Vorlage zögerte, hat
gute Gründe. Man hatte mit dem Ausbau der Arbeiterversiche-
rung und des so grosszügig eingeleiteten Arbeiterschutzrechtes
zunächst genug zu tun. Zudem sollten die Wirkungen der nicht
nur als Sondergerichte, sondern auch als Einigungsämter einge-
setzten Grewerbegerichte abgewartet werden. Dass diese Gerichte
der gestellten doppelten Aufgabe sich vollauf als gewachsen er-
wiesen haben, kann nicht behauptet werden. Auch fehlt es bis-
her an einer ausreichenden Organisation in welcher Arbeitgeber
und Arbeitnehmer getrennt oder gemeinsam gutachtend und an-
regend auf die Entwickelung des Arbeitsverhältnisses und die Tä-
tigkeit der Behörden etc. einzuwirken vermöchten.
Während auf der Grundlage der Koalitionsfreiheit die Ver-
bände der Arbeitgeber einerseits, die Gewerkschaften der Ar-
beiter andrerseits in fachmässiger Sonderung und sozial berufs-
mässiger Zusammenschliessung zu immer steigender Leistungs-
fähigkeit und gleichzeitig in immer wachsendem Gegensatze im
wirtschaftlichen Kampfe heranwachsen und für den Lohnkampf
gegen einander gerüstet sind, fehlt es sowohl den Gewerbsleuten
an organischen Gelegenheiten zur gemeinsamen Pflege der ge-
meinsamen gewerblichen Interessen und an Mitteln des Ausgleichs
von Differenzen grossen Stils als auch dem Staate an Mitteln,
um die wachsenden Gegensätze in den Bahnen einer geordneten
Entwickelung zu halten. Dazu kommt, dass Arbeitsordnungen,
Arbeiterausschüsse und Gesellenausschüsse immer nur im einzelnen
Betrieb Bedeutung haben und dass die Behörden der Gewerbe-
verwaltung gerade in den eigentlich entscheidenden Kämpfen oft
versagen. Für den Betrieb besteht zwar eine minutiös ausge-
arbeitete und peinlich überwachte Ordnung; aber die Kämpfe
um Lohn, Arbeitsbedingungen und um Alles, was man unter
dem Begriff der sozialen Wohlfahrt zusammenfasst, toben weiter