Contents: Deutschland und der Weltkrieg.

  
Deutschland und das Weltstaatenshstem 13 
  
seiner glücklichen Vollendung. Unser Königtum nennt sich „von Gottes 
Gnaden“, aber nicht in dem Sinne, den die Engländer mit dem be- 
rüchtigten jure divino-Königtum der Stuarts verbinden. Diese Bezeich- 
nung bedeutet bei uns staatsrechtlich nichts anderes, als daß die könig- 
liche Gewalt nicht vom Volke übertragen ist, sondern vielmehr auf al- 
tem, historischem Recht beruht, das in und mit der Geschichte unseres 
Volkes erwachsen ist und also aus einem Zusammenhang stammt, den 
frommer Sinn wohl einer höheren Fügung zuschreiben mag. Aber- 
schwengliche, mystische Vorstellungen, wie sie etwa Friedrich Wil- 
helm IV. hegte, sind subjektive Zutat ohne alle staatsrechtliche Bedeu- 
tung. Der Monarch ist uns nicht der Stellvertreter Gottes auf Erden, 
sondern, wie Friedrich der Große es ausgedrückt hat, der erste Diener 
des Staates; und wenn Wilhelm ll. gern bekennt, daß er sich als ein 
Werkzeug des Höchsten fühlt, so ist das in keinem anderen Sinne ge- 
meint, als wic es von der religiösen Auffassung jedes anderen Berufes 
anch gilt. Es erhöht den moralischen Schwung und das Verantwort- 
lichkeitsgefühl, das Staatsrecht aber berührt es überhaupt nicht. Aeben 
dem Kaiser und den verbündeten Regierungen steht der Rcichstag als 
eine auf breitester demokratischer Grundlage aufgebante Vertretung des 
deutschen Volkes, mit der vor allem auch die Ausgaben für Heer und 
Flotte, die Einrichtung der indirekten Steuern und der Zölle zu ver- 
einbaren sind. Aber das allgemeinc, gleiche, direkte Wahlrecht mit ge- 
heimer Stimmabgabe, aus dem diese parlamentarische Körperschaft her- 
vorgeht, kann nicht mit demselben Recht für die preußische Landes- 
vertretung in Anspruch genommen werden. Im Rciche mag das all- 
gemeine Wahlrecht als Aquivalent der allgemeinen Wehrpflicht und 
der allgemeinen indirekten Bestenerung erscheinen; in Preußen aber, 
wo der Landtag über die Fragen der direkten Bestenerung zu entscheiden 
hat und wo ein großer Teil der Wähler überhaupt keine direkten Staats- 
stenern bezahlt, könnte es unter Umständen zu großen, Ungerechtigkeiten 
führen. Dic jetzige Einrichtung freilich, die auf dem Grundsatz einer Ab- 
stufung des Wahlrechts nach der Stenerleistung beruht, ist im Laufe 
der Zeit nach der plutokratischen Seite entartet und bedarf einer gründ- 
lichen Reform. Das schlechthin allgemeine Wahlrecht aber, das ja übri- 
gens auch in England bekanntlich noch keineswegs durchgeführt ist, emp- 
fiehlt sich für Preußen schon aus dem Grunde nicht, weil die parla- 
mentarischen Reibungen nicht noch vermehrt werden dürfen, ohne den 
glatten Gang unserer ohnehin sehr komplizierten Staatsmaschine in ver- 
hängnisvoller Weise zu beeinträchtigen. 
Die Regierung ist bei uns schwieriger als in parlamentarischen Staa-
	        
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