Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Dreißigster Jahrgang. 1902. (30)

— Alll — 
Der nicht als Thierarzt approbirte Beschauer darf die Schlachtviehbeschau nur übernehmen, wenn 
das Allgemeinbefinden der Thiere nicht oder nicht wesentlich gestört ist (§. 11). Er hat die veränderten 
Theile als genußuntauglich, die nicht veränderten Theile als genußtauglich ohne Einschränkung zu 
bezeichnen (§. 30 Nr. 11; §. 35 Nr. 4): 
1. kes die Tuberkulose auf ein Organ beschränkt ist und hochgradige Abmagerung nicht 
esteht; 
2. wenn die Tuberkulose zwar mehrere Organe ergriffen hat, die Verbreitung der Krankheit 
ttg nicht auf dem Wege des großen Blutkreislaufs erfolgt ist und wenn dieselbe 
gleichzeitig 
a) nicht mit hochgradiger Abmagerung verbunden ist, 
b) nicht zur Bildung ausgedehnter Erweichungsherde geführt hat, 
) eine nur geringe Ausdehnung erlangt hat und wenn 
) die veränderten Theile leicht und sicher entfernbar sind. 
In allen übrigen Fällen hat die Beurtheilung des Fleisches durch den Thierarzt zu erfolgen. 
Ein Organ ist auch dann als tuberkulös anzusehen, wenn nur die zugehörigen Lymphdrüsen 
tuberkulöse Veränderungen aufweisen (vergl. hierzu Anhang Nr. 3). 
19. Die Strahlenpilzerkrankung (Aktinomykose). 
- Beim Rinde giebt sich diese Krankheit durch harte, schmerzlose Auftreibungen des Unterkiefers, 
seltener des Oberkiefers zu erkennen. Zuweilen sind rothe, fleischartige, knollige Geschwulstmassen, welche 
die Haut durchbrechen, bemerkbar. Aehnliche Geschwülste finden sich auch in der Kehl- und Ohrspeichel- 
drüsengegend, an der Zunge, den Backen und Lippen vor. Besonders häufig sind hanfsamen= bis erbsen- 
oder haselnußgroße Knoten in der Zunge. Dieselben liegen entweder unter der Schleimhaut, welche sie 
in Form röthlich-gelber, pilzförmiger Gebilde durchbrechen können, oder sie haben in der Tiefe der Zunge 
ihren Sitz. Oft wird die Zunge dabei verdickt, sehr derb und fest (Holzzunge). 
Beim Schweine findet man hauptsächlich im Euter schwammige, eiterartig erweichte Geschwulst- 
knoten bis zu Taubenei= und Faustgröße, in welchen sich massenhaft sandkorngroße, gelbe Körnchen 
bemerkbar machen. Seltener wird das Euter von der knotigen Form der Strahlenpilzkrankheit betroffen. 
Slörungen des Allgemeinbefindens verursacht die Krankheit nur ausnahmsweise, z. B. bei Ver- 
änderungen in der Zunge. Meist ist sie auf einen kleinen Theil eines Organs örtlich begrenzt, in 
sehr seltenen Fällen tritt sie verallgemeinert (in Knochen, Fleischlymphdrüsen 2c.) auf. 
Beschauer, welche nicht als Thierarzt approbirt sind, dürfen die Schlachtviehbeschau nur aus- 
üben, wenn das Allgemeinbefinden der Thiere nicht wesentlich gestört ist G. 11); sie dürfen ferner die 
selbständige Beurtheilung des Fleisches nur übernehmen, wenn örtliche Strahlenpilzkrankheit vorliegt 
"7! 8 i Als untauglich zum Genusse für Menschen sind nur die veränderten Theile anzusehen 
— r. 5). 
II. BHurch thierische Schmarotzer verursachte Krankheiten (Invasionskrankheiten). 
Die thierischen Schmarotzer sind niedere Thiere, welche sich gelegentlich oder während gewisser 
Zeiten oder während ihres ganzen Lebens in oder auf dem Körper anderer Thiere aufhalten. 
20. Die gesundheitsschädliche Finne des Rindes (Cysticercus inermis). 
In den äußeren und inneren Kaumuskeln, seltener im Herzfleisch und den Zungenmuskeln, noch 
seltener in dem übrigen Fleische (Halsmuskeln, muskulöser Theil des Zwerchfells, Zwerchfellpfeiler, Brust- 
muskeln, Unterschultermuskeln, Muskeln an der Innenfläche der Hinterschenkel) und nur ganz vereinzelt 
in Leber, Lunge und Lymphdrüsen von Rindern sowie von Kälbern findet man bläschenarlige, bis 9 mm 
lange und 6 mwm breile Gebilde, welche mit einer klaren, wässerigen Flüssigkeit gefüllt sind, in der sich 
ein weißes, elwa hirsekorn= bis kleinhanfkorngroßes Gebilde abhebt. Man nennt diese Bläschen Rinder- 
finnen. Sie sind die geschlechtslose Zwischenform des sogenannten feisten Bandwurmes des Menschen 
(Taenia saginata). Wird Fleisch, welches eine solche Finne enthält, in rohem Zustande vom Menschen 
verzehrt, so entwickelt sich aus derselben im menschlichen Darme ein Bandwurm. Die Finnen können 
allmählich absterben: hierbei wird ihr Inhalt käsig, später kalkig. Im todten Thierkörper gehen die
	        
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