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Prozesslehre abhanden gekommen und über der allmächtigen Ver-
handlungsmaxime ganz vergessen und in den Hintergrund gedrängt
ist. Seine Richtigkeit und Unentbehrlichkeit, selbst ohne jenen,
immerhin sehr unbestimmten gesetzlichen Anhalt, scheint mir dess-
halb aber nicht minder unzweifelhaft. Mag man also auf jenem Ge-
biete die Parteien kraft ihrer Selbstverantwortlichkeit freiestens
und sogar so frei schalten lassen, dass sie bestimmen können,
dass eine von einer Seite bereits vorgebrachte rechtshindernde
oder rechtsaufhebende Thatsache als nicht vorgetragen, als
nicht für die Urtheilsgrundlage bestimmt gelten solle” — für
alle Thatumstände, die kraft (zwingenden) öffentlichen Rechts
— also wie ein vorangegangenes rechtskräftiges Civilurtheil oder
ein einschlagender Verkoppelungsrezess — das bestrittene oder
unbestrittene Parteivorbringen im Civilprozesse beeinflussen, muss
das Gegentheil gelten.
Ich mache schliesslich auch noch darauf aufmerksam, dass
es doch wohl richtiger ist, zu sagen, die Verhandlungsmaxime
3 Durch Nichtverwerthung einer gegnerischen Behauptung, eines sog.
„Geständnisses“, nach der Lehre von PLanck a. a. OÖ. Bd. I S. 322, Bd. II
S. 95, 100. Vgl. meine obenerwähnte Schrift S. 46ff. Diese Auffassung
wird allerdings sehr lebhaft von O. v. BüLow a. a. O. 8.135, 136 bekämpft und
soll von ihm in einer demnächst erscheinenden Arbeit mit weiterer Be-
gründung angefochten werden. Nur das mag hier noch darüber gesagt sein,
dass sie allerdings durch die Forderung, die Klage behauptungen müssten
schlüssig sein und bleiben, eingeschränkt wird; dass aber im Uebrigen die
im Texte erwähnte sozusagen negative Verfügung eine unabweisliche Folge
der Verhandlungsmaxime zu sein scheint. Nur insoweit — und damit knüpfe
ich an meine im Texte vorgetragene Ansicht über die Berücksichtigung des
öffentlichen Rechts wieder an — darf der Richter vorgebrachte Behauptungen,
selbst wenn die Partei sie nachträglich zurückzieht und die andere damit
einverstanden ist (so dass für Anwendung des $ 261 der C.-P.-O. kein Raum
ist), trotzdem seinem Urtheile zu Grunde legen, als es im öffentlichen
Interesse liegt, den Rechtsschutz nicht eintreten zu lassen, z. B. in
Wucherfällen (also nicht etwa bei heliebigen sonstigen Nichtigkeitsgründen).
Es führt dies übrigens auf grundlegende Sätze des Prozessrechts; um so
weniger kann die Streitfrage hier ausgetragen werden.
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