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5. Zoll= und Steuerwesen.
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom 27. Oktober 1910 beschlossen, daß an Stelle der durch
den Beschluß des Bundesrats vom 4. Juli 1891 genehmigten Bestimmungen über die Behandlung der
Zoll= und Steuerkredite sowie der Steuervergütungs= und Berechtigungsscheine im Falle des Eintritts
einer drohenden Kriegsgefahr die nachstehenden Bestimmungen treten.
Berlin, den 20. November 1910.
Der Reichskanzler.
In Vertretung: Wermuth.
Bestimmungen über die Behandlung der gestundeten Zölle und Reichssteuern
bei Rriegsgefahr.
1. Die Reichsabgaben mit Ausnahme der Erbschaftssteuer dürfen nur unter der Bedingung
gestundet werden, daß die Stundungsnehmer sich verpflichten, die gestundeten Beträge, sobald der
Reichskanzler dies wegen einer Kriegsgefahr für erforderlich erachtet, auf Verlangen der Zoll= oder
Steuerbehörde gegen Gewährung eines von dem Reichskanzler zu bestimmenden Abzugs sogleich bar
einzuzahlen, sofern sie es nicht vorziehen, in Höhe der gestundeten Beträge Wechsel zu zeichnen. Den
Stundungsnehmern ist diese Verpflichtung durch die mit ihnen bei der Bewilligung der Stundung
aufzunehmenden Verhandlungen aufzuerlegen. Dabei ist den Stundungsnehmern ausdrücklich zu er-
öffnen, daß durch die Aushändigung von Wechseln über die gestundeten Beträge die Steuerschuld nicht
getilgt, auch nicht in eine Wechselschuld umgewandelt wird, sondern bis zur Einlösung der Wechsel
unverändert bestehen bleibt.
Die Bestimmung des Abs. 1 findet keine Anwendung, wenn die zu einem Zeitpunkt fällig
werdenden gestundeten Beträge zusammen die Summe von 300 Mark nicht erreichen. Doch steht es
den Stundungsnehmern in diesem Falle frei, die Beträge gegen Gewährung des von dem Reichs-
kanzler bestimmten Abzugs sofort bar einzuzahlen.
2. Bei Bareinzahlung der gestundeten Beträge oder eines Teiles wird der von dem Reichs-
kanzler bestimmte Abzug gewährt. Dieser ist vom Tage der Einzahlung an (diesen Tag eingeschlossen)
bis zu dem Tage zu berechnen, an dem die gestundeten Beträge fällig werden. Dabei wird jeder volle
Monat als Monat von 30 Tagen und jeder Monatsteil als Teil eines Monats von 30 Tagen gerechnet.
Der Tag der Fälligkeit der gestundeten Abgaben bleibt außer Betracht. Die auf diese Weise abgelösten
Stundungsbeträge haben die Hauptämter mit dem vollen Betrag als eingezahlt abzuschreiben, den
gewährten Abzug aber als Vorschuß für Rechnung des Reichs zu buchen.
Über die nicht sofort durch Barzahlung abgelösten Stundungsbeträge sind von den Stundungs-
nehmern nach ihrer Wahl binnen einer von der Behörde (Ziffer 1) zu bestimmenden kurzen Frist
entweder
d nach dem anliegenden Muster 1 ausgestellte trockene Wechsel
oder
nach dem beiliegenden Muster 2 auf eine dritte Person gezogene und von der letzteren
bereits angenommene Wechsel ·
zu geben. Zu domizilieren sind die Wechsel nur dann, wenn der Aussteller (Muster 1) oder der
Akzeptant (Muster 2) nicht am Sitze einer Reichsbankstelle oder einer von der Landesregierung be-
zeichneten Bankstelle wohnt; der für diese Fälle zu benennende Domizilat muß am Sitze einer solchen
Bankstelle wohnhaft sein. Die Wechsel sind dem Hauptamt, das die Stundung bewilligt hat, zu übergeben.