Full text: Zentralblatt für das Deutsche Reich. Vierundvierzigster Jahrgang. 1916. (44)

Richtlinien 
für die auf Grund der Bekanntmachung über Preisbeschränkungen bei Verkäufen von 
Web-, Wirk= und Strickvaren vom 30. März 1916 (Reichs-Gesetzbl. S. 214) errichteten 
Schiedsgerichte (§ 4 Abs. 1 der Bekanntmachung). 
  
I. Die mit der Kriegsdauer wachsende Knappheit an Textil-Rohstoffen und die dadurch not- 
wendig gewordenen Maßnahmen der Heeresverwaltung zur Sicherstellung und Streckung der vorhan- 
denen Vorräte haben zu Preissteigerungen in Textilwaren geführt, welche stellenweise wucherischen 
Charakter angenommen hatten. Die Festsetzung von Höchstpreisen für Erzeugnisse der Textilindustrie 
erscheint kein geeignetes Mittel, Preistreibereien zu bekämpfen, da die in Betracht kommenden Waren 
zu mannigfaltig sind. Deshalb ist im § 1 Abs. 1 der Verordnung eine allgemeine Preisbegrenzung 
in anderer Weise vorgesehen. - 
Den Schiedsgerichten liegt es ob, dafür zu sorgen, daß die im § 1 Abs. 1 gesteckten Grenzen 
nicht überschritten werden (§ 2 Abs. 1 der Verordnung, erster Fall). Die Verordnung ermächtigt und 
verpflichtet sie aber, auch darüber hinaus, zu prüfen, ob ein Preis, der sich innerhalb der Grenzen 
des § 1 Abs. 1 hält, gleichwohl unangemessen ist (§ 2 Abs. 1 der Verordnung, zweiter Fall). Neben 
der nachprüfenden Tätigkeit ist den Schiedsgerichten im § 3 die Aufgabe zugewiesen, die Parteien auch 
vor Abschluß des Kaufes bei Ermittlung des angemessenen Preises zu beraten: es wird ihre Sache 
sein, gerade diese Tätigkeit möglichst auszubauen. 
· Für die Zusammensetzung des Schiedsgerichts war die Besonderheit der ihnen übertragenen 
Aufgaben maßgebend. Die Berufung von Beisitzern aus den Kreisen des Gewerbes und Handwertes 
soll gewährleisten, daß im. Rahmen der Verordnung und der Richtlinien die vielgestaltigen Handels- 
gebräuche, wie überhaupt die Anschauungen von Treu und Glauben im Handel und Verkehr, und ins- 
besondere auch diejenigen Gesichtspunkte zur Geltung kommen, welche in den betreffenden Gewerbs- 
zweigen hinsichtlich der Einstandsberechnung, Kalkulation und Preisstellung üblich sind. 
II. Die Vorschriften der Verordnung gelten gleichermaßen für Verkäufe des herstellenden und 
weiterverarbeitenden Fabrikanten, wie des Groß= und Kleinhändlers. 
· 1.Nach§1Abs.1derBekauntmachuugdarfregelmäßigkeiuhöhererPreisgefordertwerdcn 
als der, den der Verkäufer bei Gegenständen ähnlicher oder gleicher Art und bei Verkäufen ähnlicher 
oder gleicher Art, innerhalb der Kriegszeit vor dem 1. Februar 1916 erzielt oder als Verkaufspreis 
festgesetzt hat, und zwar ist der Preis maßgebend, der zwischen dem 1. August 1914 und dem 1. Fe— 
bruar 1916 zuletzt nachweislich gegolten hat. 
Häufig wird ein bestimmter Preis für den Gegenstand, der verkauft wird, sich nicht ermitteln 
lassen. In diesem Falle ist, wenn ein Preis für ähnliche Gegenstände bestand, dieser zugrunde zu 
legen. Der Ausdruck „Verkäufe ähnlicher Art“ besagt, daß die verschiedenen Preise im Groß= und 
Kleinhandel Berücksichtigung finden sollen. Der Nachweis für das Vorliegen der in Betracht kommen- 
den Voraussetzungen liegt überall dem Verkäufer ob. Sollte der Preis in Vorkenntnis der am 1. Fe- 
bruar 1916 von den Militärbehörden erlassenen Bekanntmachung — Nr. WWM 562/1. 16. K. R.A. —, 
betreffend Preisbeschränkungen für Web-, Wirk= und Strickwaren, zur Umgehung der Verordnung fest- 
gesetzt sein, so würde das Gericht zu prüfen haben, ob nicht der Preis unangemessen hoch und des- 
halb nach § 2 Abs. 1 (zweiter Fall) herabzusetzen ist. « 
2. Der letzterzielte oder letztfestgesetzte Preis ist ausnahmsweise in folgenden beiden Fällen 
nicht maßgebend: 
a) wenn für Gegenstände und Verkäufe gleicher oder ähnlicher Art in der Zeit vom 
1. August 1914 bis 1. Februar 1916 ein Preis nicht nachweislich erzielt oder festgesetzt 
wurde, oder 
b) wenn die Gestehungskosten zuzüglich Unkosten und angemessenen Gewinns höher sind als 
der vor dem 1. Februar 1916 innerhalb der Kriegszeit bei Gegenständen und Verkäufen 
gleicher oder ähnlicher Art nachweislich erzielte oder vereinbarte Preis. 
In diesen beiden Fällen ist derjenige Preis maßgebend, welcher den Gestehungskosten zuzüglich Un- 
kosten und angemessenem Gewinn entspricht. «
	        
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