Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 25. Todeserklärung gegen Verschollene. 83 
1. a) Die Todeserklärung ist nur gegen „Verschollene“ zulässig (13). 
Dies sind Personen, über deren Leben oder Tod seit erheblicher Zeit keine 
glaubhaften Nachrichten vorliegen. 
Doch genügt es, wenn nur die Zeit ihres Todes ungewiß ist. Beispiel: A. ist am 
8. August 03 bei einer gefährlichen Bergbesteigung im Kaukasus samt seinen Begleitern in 
Berschollenheit geraten; am 10. August 03 ist seine in Deutschland gebliebene Frau plötzlich 
gestorben, und es fragt sich, ob er sie oder sie ihn beerbt hat. Deshalb wird Ende 06 von 
den Verwandten der Frau die Todeserklärung gegen ihn beantragt, und es steht zu erwarten, 
daß das Gericht die Todeserklärung aussprechen und als Datum seines Todes den 8. August 03. 
bestimmen wird (17, 18). Da wird im letzten Augenblick die Leiche A.s gefunden, und es 
steht nunmehr fest, daß er tot ist. Ist es denkbar, daß jetzt die Todeserklärung nicht er- 
solgen darf? Soll wirklich, bloß weil A.s Leiche gefunden ist, die Frage, ob sein Tod am 
8., 9., 10. oder 11. August C3 geschah, nach den gewöhnlichen unzureichenden Beweisregeln 
beantwortet werden? Oder kann man nicht sagen, daß A. zur Zeit seines Todes verschollen 
war und trotz nachträglicher Auffindung seiner Leiche verschollen geblieben ist? 
b) Die Todeserklärung ist erst nach Ablauf gewisser Fristen zulässig. 
a) Regelmäßig beträgt die Frist zehn Jahr. Sie beginnt mit dem 
Schluß des letzten Jahrs, in dem der Verschollene den vorhandenen Nachrichten 
zufolge noch gelebt hat, oder, wenn der Verschollene damals noch minder- 
jährig war, mit dem Schluß des Jahrs, in dem er volljährig geworden ist 
(14 L, IID. 
6) In folgenden Fällen wird die zehnjährige Frist stark verkürzt. 
ga) Die Frist beträgt fünf Jahr, wenn der Verschollene vor Beginn 
oder im Lauf der Frist das siebzigste Lebensjahr vollendet haben würde. 
Sie beginnt, wie zu a, mit dem Schluß des letzten Jahrs, in dem der Ver- 
schollene den vorhandenen Nachrichten zufolge noch gelebt hat (14 II, III). 
66) Die Frist beträgt drei Jahr, wenn jemand als Angehöriger einer 
bewaffneten Macht in einem Kriege in Verschollenheit geraten ist. Sie beginnt 
mit dem Friedensschluß oder mit dem Ende des Jahrs, in dem der Krieg ohne 
Friedensschluß tatsächlich aufgehört hat (15).5 
7)) Die Frist beträgt ein Jahr, wenn jemand auf einer Seefahrt in 
Verschollenheit geraten ist, falls das Fahrzeug, auf dem er sich den Nachrichten 
zufolge zuletzt befunden hat, untergegangen ist oder als untergegangen ver- 
mutet wird; letzteres ist der Fall, wenn nicht bloß er selber, sondern auch 
das Fahrzeug verschollen ist und seit dem Tage, an dem es zuletzt ge- 
sehen wurde, 
bei Fahrten innerhalb der Ostsee ein, 
bei Fahrten innerhalb andrer europäischer Meere einschließlich des 
Mittelmeers und seiner Anhänge zwei, 
bei Fahrten über außereuropäische Meere drei Jahre 
2) Siehe auch unten zu 1 ddas Beispiel I. 
4 3) Siehe aber auch preuß. Ges. v. 2. April 72.
	        
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