Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§§ 27, 28. Geschlechts= und Altersunterschied der Menschen. 91 
a) daß das Kind rechtlich unselbständig ist und deshalb einem Gewalt- 
haber (gesetzlichen Vertreter), sei es dem Vater oder der Mutter, sei es einem 
Vormunde oder Pfleger, untergeordnet wird (1626, 1773, 1909); 
b) daß das Kind vollkommen „geschäftsunfähig“ ist, d. h. nicht ein ein- 
ziges Rechtsgeschäft in eigner Person gültig vornehmen kann (104 Nr. 1); 
c) daß das Kind „unzurechnungsfähig", d. h. für seine Delikte nicht ver- 
antwortlich ist (828 1). 
II. 1. a) Die zweite Hauptaltersstufe des bürgerlichen Rechts bildet regel- 
mäßig das vollendete 21. Lebensjahr (2). Wer sie noch nicht erreicht hat, 
heißt minderjährig (minorenn); wer sie erreicht hat, heißt volljährig 
(großjährig, majorenn). 
b) Ausnahmsweise kann diese zweite Altersstufe durch Volljährig- 
keitserklärung bis auf das vollendete 18. Lebensjahr zurückgeschoben 
werden. Das ist aber nur zulässig, wenn es im Interesse des Minderjährigen 
liegt und dieser persönlich zustimmt; steht der Minderjährige unter elterlicher 
Gewalt, so ist regelmäßig auch die Zustimmung des Vaters oder der Mutter 
nötig (3, 4, 5). Zuständig zur Volljährigkeitserklärung ist meist das Vor- 
mundschaftsgericht; nur in Bayern, Sachsen und einigen wenigen andern Staaten 
ist sie dem Justizminister vorbehalten (3 1I; EEG. 147; bayr. Ausf.Ges. 2; sächs. 
Ges. v. 15. Juni 00 § 14). 
Die Volljährigkeitserklärung empfiehlt sich namentlich, wenn ein Minderjähriger ein 
großes kaufmännisches Geschäft ererbt oder wenn eine Minderjährige heiratet, dort um die 
lästige, zeitraubende Kontrolle des Vormundschaftsgerichts, hier um Kollisionen zwischen Vor- 
mund und Ehemann zu vermeiden, immer vorausgesetzt, daß der oder die Minderjährige 
reif genug ist, um die Lasten der Volljährigkeit tragen zu können. 
Die Volljährigkeitserklärung wird wirksam, wenn sie dem bisherigen Gewalthaber des 
Minderjährigen zugestellt ist und durch Ablauf der Beschwerdefrist die Rechtskraft beschreitet 
(R. FG. 56; s. aber auch 196 ebenda). Sie ist unwiderruflich. 
c) Eine andre Ausnahme gilt in den meisten landesherrlichen Familien: hausgesetzlich 
beginnt hier auch ohne Volljährigkeitserklärung die Volljährigkeit mit dem vollendeten 18. 
Lebensjahr (s. RGes. v. 17. Febr. 75 § 2). 
2. Die rechtliche Bedeutung der Minderjährigkeit ist unter anderm, 
a) daß der Minderjährige auch nach Überschreitung der Kindheitsgrenze 
unter der Gewalt der Eltern oder eines Vormundes oder Pflegers verbleibt 
(1626, 1773, 1909); 
b) daß er nach Überschreitung der Kindheitsgrenze zwar nicht mehr ganz 
geschäftsunfähig wie ein Kind, aber doch nur beschränkt geschäftsfähig ist (106); 
) daß er nach Überschreitung der Kindheitsgrenze wenigstens während 
der ersten folgenden elf Jahre zwar nicht mehr ganz unzurechnungsfähig wie 
ein Kind, aber doch nur beschränkt zurechnungsfähig ist (828 1I). 
III. Außer diesen beiden Hauptstufen des Alters sind noch gewisse andre 
Altersstufen von rechtlicher Bedeutung, namentlich: 
1. das vollendete 14. Lebensjahr, weil der Minderjährige von dieser Stufe
	        
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