122 Buch I. Abschnitt 4. Die Rechtsgegenstände.
Erdkrume, jeder Baum, jeder Grashalm im Garten. 3. Hat endlich der Hauseigentümer in
einer leeren Nische der Hausfassade eine Statue des heiligen Georg angebracht oder hat er
im Garten zarte Sträucher angepflanzt, deren Uberwinterung im Freien bedenklich ist, so ist
es zweifelhaft, ob der heilige Georg und die zarten Sträucher wesentliche Bestandteile des
Grundstücks geworden oder Nichtbestandteile 23 geblieben sind. Dagegen ist die vermittelnde
Meinung, daß sie etwa als unwesentliche Grundstücksbestandteile anzusehn seien, von vorn-
herein ausgeschlossen.
2. Die Unterscheidung von unwesentlichen und wesentlichen Sachbestand-
teilen hat rechtlich folgende Bedeutung (93).
a) So gut wie eine Sacheinheit ein allen ihren Bestandteilen gemein-
sames, so gut kann auch jeder unwesentliche Bestandteil einer Sacheinheit sein
besondres dinglichrechtliches Schicksal haben; insbesondre können die Beteiligten
nicht bloß über cine Sacheinheit als Ganzes, sondern auch über jeden unwesent-
lichen Bestandteil der Sacheinheit getrennt mit dinglicher Wirkung verfügen.
Demgemäß ist der oben zu II. 2 entwickelte Satz „ein dinglichrechtlicher Vor-
gang, der eine Sacheinheit als Ganzes betrifft, ist auch für sämtliche Bestand-
teile der Sacheinheit wirksam“, nur mit einem wichtigen Vorbehalt zu verstehn:
die Wirkungen eines die Sacheinheit als Ganzes betreffenden Vorganges versagen
bei einem unwesentlichen Sachbestandteil insoweit, als dessen besondre ding-
liche Rechtslage jene Wirkungen ausschließt.
b) Ganz anders bei wesentlichen Sachbestandteilen. Sie sind eines be-
sondern dinglichrechtlichen Schicksals unfähig; insbesondre sind Verfügungen, die
ein Beteiligter über einzelne wesentliche Bestandteile einer Sacheinheit getrennt
trifft, ohne dingliche Wirkung. Demgemäß ist der oben zu II. 2 entwickelte
Satz „ein dinglichrechtlicher Vorgang, der eine Sacheinheit als Ganzes betrifft,
ist auch für sämtliche Bestandteile der Sacheinheit wirksam“ bei wesentlichen
Sachbestandteilen ohne einen Vorbehalt der zu a gedachten Art gültig.
Beispiele. I. 1. Die Bäuerin A., der der eine einzige Grundstückseinheit bildende
Mvoshof gehört, schließt, als sie den B. heiratet, einen Ehevertrag mit ihm ab, laut dessen
zwischen ihnen allgemeine Gütergemeinschaft bestehn und nur das zum Mooshof gehörige
„Auszugshaus“, in dem zurzeit die alten Eltern der A. wohnen, ihr „Vorbehalt“ sein,
d. h. in ihrem alleinigen Eigentum verbleiben soll. Hier werden wir annehmen können,
daß die Ehegatten unter dem Auszugshause nicht bloß das Gebäude selbst, sondern auch
den Boden, auf dem es steht, also ein Teilgrundstück in dem oben entwickelten Sinn, also
einen „unwesentlichen“ Bestandteil des Mooshofs verstehn. Ist diese Auslegung richtig,
so ist der Ehevertrag in vollem Umfang dinglich wirksam. Am Mooshof besteht demnach,
sobald die Ehe zwischen der A. und dem B. geschlossen ist — einer Eintragung im Grundbuch
bedarf es in diesem Fall nicht (1438 II) — ein zwiefaches Eigentum: das Auszugshaus
gehört allein der Frau, der Rest des Guts gehört beiden Gatten zusammen; und trotzdem
ist der Mooshof nach wie vor eine einzige Grundstückseinheit! 2. Fabrikant C. liefert dem
D. in dessen Fabrik Maschinen und behält sich das Eigentum an den Maschinen bis zur
Vollzahlung des Kaufpreises vor. Hier ist der Eigentumsvorbehalt von dem Augenblick ab
unwirksam, in dem die Maschinen in die Fabrik eingefügt und dadurch zu „wesentlichen“
Bestandteilen des Fabrikgebäudes werden.: II. E. hat dem F. ein wertvolles eingebundenes
23 a) Siehe oben S. 118 die Beispiele II, IV.
24) RG. 62 S. 410, 63 S. 422; siehe auch ebenda 62 S. 219. Abw. Oberwinter,
Jahrb. f. Dogm. 51 S. 253. Vermittelnd Ortmann im „Recht“ 10 S. 1119.