Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 42. Unwesentliche und wesentliche Sachbestandteile. Sachinbegriff. 123 
Heliogravürenwerk auf 14 Tage geliehn; nach Ablauf der Leihzeit fragt F. bei E. an, ob er 
nicht eine bestimmte Heliogravüre behalten dürfe, die ihm besonders gefallen habe; E. erwidert 
schriftlich, er sei einverstanden und schenke hiermit das gewünschte Bild dem F.; F. möge 
es vorsichtig herausschneiden; noch ehe aber F. von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht 
hat, widerruft E. seine Erklärung. Hier ist E.'s Widerruf rechtmäßig; denn die privat- 
schriftliche Schenkung einer Sache wird für den Geschenkgeber erst dadurch verpflichtend, daß 
er die geschenkte Sache dem Beschenkten übereignet (518). E. war aber rechtlich außerstande, 
das fragliche Bild solange, als es sich unausgeschnitten in dem Buch befand, dem F. zu 
übereignen; denn solange war es wesentlicher Bestandteil des Buchs, da dieses durch die 
Fortnahme des einen Bildes zu einem Torso wurde. III. Siehe auch das Beispiel des 
Spitzenkleides unten S. 124 Abf. 2. 
c) Die Unterscheidung zu a und b — dinglichrechtliche Selbständigkeit 
der unwesentlichen, dinglichrechtliche Unselbständigkeit der wesentlichen Sach- 
bestandteile — wird im einzelnen durch eine Reihe von Sonderbestimmungen 
abgeschwächt. Erwähnt sei hiervon an dieser Stelle das folgende. 
a) Zu den allerwichtigsten Verfügungen über einzelne unwesentliche Sach- 
bestandteile würde die Ubereignung oder Verpfändung eines Teilgrundstücks ge- 
hören. Doch ist gerade die Vornahme dieser beiden Verfügungen gesetzlich un- 
gemein erschwert. Denn sie bedarf der Mitwirkung des Grundbuchamts (925, 
873); die Grundbuchämter sind aber durch Ordnungsvorschrift angehalten, bei 
jenen Verfügungen ihre Mitwirkung zu verweigern (Grundbuchordn. 6, 96): sie 
dürfen sowohl die Übereignung wie die Verpfändung im Grundbuch erst ein- 
tragen, wenn das Teilgrundstück von dem Restgrundstück formell abgezweigt 
und dadurch aus einem bloßen Sachbestandteil zu einer Sacheinheit erhoben 
ist. Die Folge ist, daß die rechtliche Selbständigkeit der Teilgrundstücke sich nur 
in praktisch minder wichtigen Fällen, etwa bei der Bestellung einer auf ein 
Teilgrundstück beschränkten Dienstbarkeit oder in einem Fall der oben S. 122 
in Beispiel I genannten Art (in dem es der Mitwirkung des Grundbuchamts 
nicht bedarf), bemerklich macht. 
5) Wird durch die Regel zu a die rechtliche Selbständigkeit der unwesent- 
lichen, so wird durch folgende Vorschrift die rechtliche Unselbständigkeit der 
wesentlichen Sachbestandteile abgeschwächt: stehende und hängende Früchte eines 
Grundstücks können getrennt für sich gepfändet werden, während das Grund- 
stück im übrigen pfandfrei bleibt (ZPO. 810). Sie sind also zwar nicht eines 
besondern Eigentums, wohl aber eines besondern Pfändungspfandrechts fähig. 
IV. 1. Ob mehrere Sachen einen Sachinbegriff bilden und — wenn 
man einen Sachinbegriff als gegeben voraussetzt — welche einzelne Sachen zu 
ihm gehören, hängt sowohl bei Grundstücken wie bei Fahrnissachen lediglich 
von der Verkehrsanschauung ab. 
2. Die rechtliche Bedeutung des Sachinbegriffs ist eine mannigfache. Am 
wichtigsten ist das folgende: besteht ein Sachinbegriff aus lauter Fahrnissachen, 
so wird ersterer wie eine einzige Fahrnissache und werden letztere wie un- 
wesentliche Bestandteile dieser Sache behandelt.¾ Daraus ergibt sich, daß es 
rechtlich ganz gleichgültig ist, ob man irgend einen Fahrnisgegenstand als
	        
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