134 Buch I. Abschnitt 4. Die Rechtsgegenstände.
Beispiele. I. 1. Wenn einem Stück Land, dessen Boden so schlecht ist, daß ohne
emsigstes Hacken und Pflügen, ohne reichliches Düngen, ohne künstliche Bewässerung nur
spärliches Unkraut darauf wachsen würde, eine gute Haferernte abgewonnen wird, ist der
Hafer trotzdem Ertrag des Grundstücks. Denn nach wirtschaftlicher Anschauung gilt — selt-
sam genug — auch in diesem Fall als Hauptfaktor der Haferernte nicht Saatkorn, nicht
Arbeit, nicht Dünger, nicht Wasser, sondern der Erdboden. 2. Ingleichen gilt, wenn eine
Stute, von einem Hengst gedeckt, ein Fohlen wirft, das Fohlen nach wirtschaftlicher An-
schauung nicht als gemeinsamer Ertrag von Stute und Hengst, sondern nur als Ertrag der
Stute. II. Dagegen sind die Bilder, die ein Maler zustande bringt, nicht Ertrag seines
Pinsels, sondern seines Geistes, seiner Arbeit.
2. Ein Gewinn ist Ertrag eines Gegenstandes nur, wenn der Gegenstand
durch den gewinnbringenden Vorgang weder ganz noch teilweise „verbraucht"“
wird, sondern — wenigstens der Regel nach — den Gewinn überdauert. Als
Verbrauch gilt auch die Veräußerung des Gegenstandes und, was ihr im Erfolge
gleichsteht, nicht aber die allmähliche Abnutzung.?
Beispiele. I. Die in einem Forst gefällten Bäume sind nur dann Ertrag des Forstes,
wenn bei dem Fällen ein Plan eingehalten wird, der auf das Nachwachsen junger Bäume
derart Rücksicht nimmt, daß der Bestand des Forstes im ganzen unvermindert bleibt.
Werden Bäume über das durch einen solchen Plan bestimmte Maß hinaus gefällt, so liegt
Raubwirtschaft vor, und das Mehr, was dadurch an Holz gewonnen wird, ist wohl Gewinn,
aber nicht Ertrag. II. Das aus einem Bergwerk gewonnene Erz ist nur dann Ertrag des Berg-
werks, wenn bei der Förderung ein Plan eingehalten wird, der das Bergwerk derart schont,
daß es für eine Reihe von Jahren eine einigermaßen gleichmäßige Ausbeute gewährt; bei
einem solchen Bergbau wird angenommen, daß das Bergwerk nicht „verbraucht“, sondern
allmählich abgenutzt wird. Wird Erz über das durch einen solchen Plan bestimmte Maß
hinaus gefördert, so liegt Raubbau vor, und das Mehr, was dadurch an Erz gewonnen wird,
ist, gerade wie das durch Raubwirtschaft im Forst erlangte Mehr an Holz, Gewinn, aber nicht
Ertrag. III. Bei einem verzinslichen Darlehn, dessen Kapital durch Amortisationszuschläge
zu den Zinsen getilgt wird, sind Ertrag der Darlehnsforderung nur die Zinsen, nicht auch
die Amortisationszuschläge. Denn letztere sind dazu bestimmt, die Darlehnssorderung zu zer-
stören; ihre Einziehung ist also ein „Verbrauch“ der Darlehnsforderung. Freilich geschieht
der Verbrauch so allmählich, daß man geneigt sein könnte, ihn für eine bloße Abnutzung
anzusehn. Indes ist diese Auffassung nicht zutreffend; denn ein Verbrauch gilt als bloße
Abnutzung nicht schon dann, wenn er allmählich geschieht, sondern nur dann, wenn er außer-
dem mit dem Gebrauch unvermeidlich verbunden ist. Das ist aber bei der Amortisation
eines Darlehns nicht der Fall; es gibt ja auch Darlehne, die nicht amortisiert werden.
IV. Bei einem Rentenrecht sind Ertrag die jeweilig fälligen Renten. Freilich wird durch
deren Einziehung das Rentenrecht im ganzen allmählich zerstört, gerade wie die Darlehns-
sorderung durch die Einziehung der Amortisationszuschläge. Dies ist aber bei einem Renten-
recht unvermeidlich. Deshalb liegt hierin in der Tat nur eine allmähliche Abnutzung des
Rentenrechts. V. 1. Wenn jemand ein Grundstück, das er zu Spekulationszwecken gekauft hat,
mit Vorteil verkauft, ist Ertrag weder der ganze beim Verkauf erzielte Preis noch der Über-
schuß des Verkaufspreises über den Einkaufspreis. Denn hier wird das Grundstück ja ver-
äußert, was einem Verbrauch gleichsteht. 2. Ebensowenig ist, wenn das Grundstück dem
Spekulanten im Wege der Enteignung entzogen wird, die ihm dafür gewährte Entschädigung
Ertrag. V. Wenn jemand ein Droschkenpferd schuldhaft verletzt, so daß es vier Wochen
lang keine Arbeit tun kann und ein Auge verliert, ist der Schadensersatz, den er dafür
leisten muß, zum Teil Ertrag des Pferdes, zum Teil ist er es nicht. Er ist es insofern, als
er einen Ausgleich dafür bietet, was das Pferd dem Besitzer während der vier Wochen Ferien
ohne den Unfall eingebracht haben würde. Er ist es nicht insofern, als er die Wertminderung
2) Siehe oben § 44 III, 1.