Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 52. Vertrag u. einseitiges Rechtsgeschäft. Verfügung. 159 
unterscheidet danach vermögensrechtliche und personenrechtliche 
Rechtsgeschäfte. 
Beispiel: vermögensrechtliches Rechtsgeschäft ist der Kauf, personenrechtliches Rechts- 
geschäft ist die Eheschließung. 
Natürlich gibt es daneben auch rechtsgeschäftliche Willensäußerungen, die sowohl ver- 
mögens-, wie personenrechtliche Wirkungen hervorzubringen bestimmt sind. Ein Beispiel ist 
die Gründung eines Vereins, der sowohl wirtschaftliche wie unwirtschaftliche Zwecke verfolgt. 
4. Unter den vermögensrechtlichen Rechtsgeschäften spielen eine besondre 
Rolle die Verfügungen. 
a) Für die Verfügung ist ein dreifaches charakteristisch.? Erstens ist sie- 
ein Rechtsgeschäft. Zweitens hat sie ein bereits vorhandenes Vermögensrecht, 
also meist ein dingliches Recht oder eine Forderung, zum Gegenstande; freilich 
spricht man daneben auch von Verfügungen über „Sachen“; doch ist das nur 
ein ungenauer Ausdruck, da man in einem solchen Zusammenhang unter der 
„Sache“ in Wirklichkeit das Eigentum an der Sache, also gleichfalls ein 
„Recht“ versteht. Drittens bestimmt sie, daß dies Recht derart abgeändert 
wird, daß der Inhaber des Rechts darunter leidet. 
b) Es gibt drei Arten von Verfügungen: 
oa die Veräußerung eines Rechts, d. h. die rechtsgeschäftliche Be- 
stimmung, daß das Recht auf einen andern Inhaber übergeht; 
6) die Belastung eines Rechts, d. h. die rechtsgeschäftliche Bestimmung, 
daß das Recht zwar dem bisherigen Inhaber verbleibt, aber durch Begründung. 
eines neuen Rechts beschränkt wird; 
) die Aufhebung eines Rechts, d. h. die rechtsgeschäftliche Bestimmung, 
daß das Recht (ganz oder teilweise) erlischt. 
c) Jede Verfügung ist ein einseitiger Rechtsakt. Freilich gibt es zahl- 
reiche Verfügungen, die bloß wirksam sind, wenn sie vertragsmäßig von statten 
gehn. Doch ist es alsdann immer nur eine einzige Partei, die verfügend auf- 
tritt; von der Gegenpartei kann man dagegen wohl sagen, daß sie die Ver- 
fügung annimmt, nicht aber auch, daß sie sie vornimmt. 
d) Den Gegensatz zu den Verfügungen bilden namentlich folgende 
Rechtsakte: 
#) Der tatsächliche Verbrauch einer Sache; denn er ist kein Rechtsgeschäft.“ 
6) Obrigkeitliche Akte, wie Beschlagnahmen, Pfändungen, Zuschlagsbescheide; 
denn auch sie sind keine Rechtsgeschäfte. 
5) Willensäußerungen, durch die der Außernde sich selbst oder seine 
Erben lediglich obligatorisch zu einer Leistung verpflichtet; denn sie sind 
zwar Rechtsgeschäfte, haben aber kein bereits bestehendes Vermögensrecht zum 
Gegenstande. Insbesondere gilt dies für den Verkauf einer Sache durch den 
Eigentümer: wenn jemand seine Sache verkauft, „verfügt“ er damit noch nicht. 
5) Ganz anders Wendt, Arch. f. ziv. Pr. 89 S. 431. 
6) Vgl. Wilutzky, Arch. f. BR. 28 S. 58. 7) Siehe aber unten S. 160 §6.
	        
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