Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 52. Zweckzuwendungen u. abstrakte Zuwendungen. 163 
b) Er überläßt ihm das Bild umsonst. Das ist unentgeltliche Zuwendung. c) Er überläßt 
ihm das Bild gegen Erstattung der 30 Mk., die er für den Rahmen ausgelegt hat. Das 
ist entgeltliche Zuwendung des Rahmens, unentgeltliche Zuwendung des Bildes. d) Er 
überläßt ihm das Bild für 200 Mk. Das kann entgeltliche, es kann aber auch unentgeltliche 
Zuwendung sein, je nach der Absicht der Parteien. Ersteres ist z. B. anzunehmen, wenn B. 
das Bild fortgab, um rasch zu Geld zu kommen, und weil ein besseres Gebot nicht abge- 
geben wurde; denn dann war für B. rein subjektiv der Besitz von 300 Mk. ebensoviel wert 
wie der Besitz des Bildes. Letzteres ist z. B. anzunehmen, wenn sich ein Liebhaber fand, der 
für das Bild 600 Mk. geben wollte, während C. nicht mehr als 300 Mk. aufbringen konnte, 
und B. nur aus persönlichem Wohlwollen den C. dem andern Liebhaber vorzog. 2. In Ulm 
soll eine neue Straße angelegt werden; D. überläßt der Stadt denjenigen Teil seines Grund- 
besitzes, der in den Zug dieser Straße fällt, ohne besondre Vergütung, da er sich berechnet, 
daß der Rest seines Besitzes durch die Anlegung der neuen Straße eine Wertsteigerung er- 
fahren wird, die den Wert des der Stadt überlassenen Terrains um das Zehnfache übersteigt. 
Hier geschieht die Zuwendung des Terrains: a) entgeltlich z. B., wenn die Stadt Ulm 
sich gegenüber D. verpflichtet, die Straße binnen drei Jahren anzulegen, oder wenn die 
Stadt diese Verpflichtung zwar nicht übernimmt, D. sich aber die Rückgewähr des Terrains 
für den Fall ausbedingt, daß die Anlegung der Straße nicht binnen drei Jahren erfolgt; 
b) unentgeltlich, wenn D. das Terrain der Stadt ohne Vorbehalt überläßt, vielleicht, weil 
er bestimmt zu wissen glaubt, daß die Stadt die Straße ohnehin aus freien Stücken anlegen 
werde. III. 1. E. hat sich anfangs 08 bei dem Maler F. das Porträt seiner Tochter 
für ein Honorar von 6000 Mk., zahlbar am Jahresende, bestellt, und dieser hat die Bestellung 
angenommen. Hier liegt offenbar eine Doppelzuwendung vor: E. hat dem F. ein Recht 
auf 6000 Mk., F. hat dem E. ein Recht auf das Porträt der Tochter „zugewendet“. Und 
zwar verfolgt jede Partei mit ihrer Zuwendung augenscheinlich den Zweck, dadurch die Gegen- 
zuwendung der andern Partei zu erlangen a) Dieser Zweck kann im Zuwendungzgeschäft 
selbst bestimmt werden, etwa so, daß E. einen Schuldschein ausstellt wie folgt: „ich ver- 
pflichte mich, am 31. Dezember 08 6000 Mk. als Honorar für ein Porträt meiner Tochter 
zu zahlen, das F. zu malen übernommen hat.“ Dann liegt eine Zweckzuwendung des E. 
an F. vor. b) Das Zuwendungsgeschäft kann aber auch von jenem Zweck absichtlich ab- 
strahieren, etwa so, daß E. einen Schuldschein ausstellt wie folgt: „ich verpflichte mich, am 
31. Dezember 08 an F. 6000 Mk. zu zahlen.“ Dann liegt eine abstrakte Zuwendung vor. 
Daß damit das Forderungsrecht des F. gegenüber E. wesentlich vereinfacht wird, liegt auf 
der Hand. Denn wenn F., auf die Zweckzuwendung zu a gestützt, die Zahlung der 6000 Mk. 
verlangen würde, müßte er dartun, daß er das Porträt der Tochter C.s bereits abgeliefert 
oder wenigstens vollendet hat (320); dagegen kann er, auf die abstrakte Zuwendung zu b 
gestützt, das Bild mit Schweigen übergehn. 2. G. und H. wollen ihre Häuser gegeneinander 
austauschen; sie zielen also gleichfalls auf eine Doppelzuwendung ab: jeder will dem andern 
sein Haus zuwenden, und jeder verfolgt mit seiner Zuwendung den Zweck, dadurch die 
Gegenzuwendung der andern Partei zu erhalten. Hier können die Parteien den obligatori- 
schen Vertrag, in dem sie sich gegenseitig zur Ubereignung ihrer Häuser verpflichten, in der 
zu 1 geschilderten Art sowohl als Zweckzuwendung wie abstrakt abschließen. Dagegen kann 
die Übereignung der Häuser einzig und allein abstrakt geschehn. Es geht also nicht an, 
daß G. vor dem Grundbuchamt erklärt: „ich lasse mein Haus x dem H. in Austausch gegen 
das dem H. gehörige Haus yF auf“, sondern er muß bei der Auflassung jeden Hinweis auf 
den Zweck, den er mit ihr verfolgt, unterlassen. 3. J. verlangt von K. die Anszahlung 
von 1000 Mk., weil der Erblasser des K., L., sie ihm vermacht habe; K. lehnt dies ab, weil 
er das Vermächtnis, auf das J. sich stützt, für ungültig hält, erklärt sich aber bereit, die 
1000 Mk. dem J. aus freien Stücken zu schenken, was wieder von J. zurückgewiesen wird. 
Schließlich einigen sich J. und K. dahin, daß dieser jenem die 1000 Mark abstrakt zuwendet, 
indem der Zweck der Zuwendung — ob die Zahlung der 1000 Mk. animo solvendi oder 
animo donandi erfolge — dahingestellt bleibt. 
Von der „unentgeltlichen Zuwendung“ zu unterscheiden ist der „unentgeltliche Erwerb“. 
Hauptunterschiede: letzterer kann auch nicht rechtsgeschäftlich erfolgen; bei ihm ist die 
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