164 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
Gleichwertigkeit der beiderseitigen Vermögensgewinne und Vermögensopfer nicht vom Stand-
punkt des Zuwendenden, sondern vom Standpunkt des Erwerbers aus zu prüfen usw.
Die Trennung der abstrakten Zuwendung von dem Zuwendungszweck ist keine absolute.
Vielmehr ist — z. B. wenn die Frage aufgeworfen wird, ob eine Zuwendung unentgeltlich
vorgenommen oder ob sie unsittlich ist — sehr oft ein Zurückgreifen auf den Zuwendungs-
zweck auch bei abstrakten Zuwendungen nicht zu umgehn. Wollte man dies verneinen, so
käme man zu dem Ergebnis, daß eine Grundstücksübereignung immer unentgeltlich und
niemals unsittlich wäre.
II. Die praktische Wichtigkeit der zahlreichen Unterscheidungen zu I ist
so offensichtlich, daß sie hier nicht weiter dargelegt zu werden braucht: das
ganze bürgerliche Gesetzbuch ist von dem Gegensatz der Willenserklärungen und
der stillen Willensäußerungen, der empfangsbedürftigen und der nicht empfangs-
bedürftigen Rechtsgeschäfte, der Verträge und der einseitigen Rechtsgeschäfte, der
Verfügungen und der bloß obligatorisch wirksamen Rechtsgeschäfte, der ent-
geltlichen und der unentgeltlichen Zuwendungen, der Zweckzuwendungen und
der abstrakten Zuwendungen von Anfang bis zu Ende erfüllt.
3. Dihir rechtliche Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte. 1
8 B3.
I. 1. Das Gesetz kann ein Rechtsgeschäft in zwiefacher Art mit rechtlicher
Wirksamkeit ausstatten.
a) Das Gesetz kann dem Rechtsgeschäft erstens gewisse Rechtswirkungen
gerade deshalb beilegen, weil sie dem Parteiwillen entsprechen, der nach den
Regeln juristischer Auslegung dem Geschäft zu entnehmen ist. Doch ist dazu
nicht erforderlich, daß die Rechtswirkungen, die das Geschäft nach dem Partei-
willen hervorbringen soll, und die Rechtswirkungen, die es nach den Anord-
nungen des Gesetzes tatsächlich hervorbringt, miteinander genau übereinstimmen,
sondern es genügt, wenn sie nur nach dem Dafürhalten des Gesetzgebers den
nämlichen Interessen dienen.
b) Das Gesetz kann dem Rechtsgeschäft zweitens gewisse Rechtswirkungen
ohne Rücksicht darauf beilegen, ob sie mit dem Parteiwillen in Einklang sind
oder nicht.
2. Die Wirkungen der ersten Art pflegt man als rechtsgeschäftliche,
die der zweiten Art pflegt man als nichtrechtsgeschäftliche zu bezeichnen,
weil nur die ersteren der Privatautonomie dienstbar sind und das Wesen der
Rechtsgeschäfte gerade darin besteht, daß sie die Privatautonomie zur Geltung
bringen sollen. Ja man geht noch weiter und nennt ein Rechtsgeschäft, das
lediglich nichtrechtsgeschäftliche Wirkungen hervorbringt, einfach unwirksam,
geradeso, wie wenn es einer rechtlichen Wirksamkeit überhaupt entbehrte, in-
dem man annimmt, derartige Rechtswirkungen seien nicht von dem Rechts-
1) Bruck, Bedeutung der Anfechtbarkeit für Dritte (00); Alexander, Begriff d. Unwirk-
samkeit im BGB. (O03).