8 53. Wirkung der Rechtsgeschäfte. 165
geschäft als solchem hervorgebracht. Übrigens kommt es nicht selten vor, daß
ein und dasselbe Rechtsgeschäft nebeneinander sowohl rechtsgeschäftliche wie
nichtrechtsgeschäftliche Wirkungen hat.
Beispiele. I. 1. Wenn A. einen ihm gehörigen Hundertmarkschein dem B. schenkungs-
weise übergibt und B. den Schein als Geschenk A.s annimmt, wird B. Eigentümer des
Scheins. Dies ist eine rechtsgeschäftliche Wirkung der Schenkung A.s. Denn das Gesetz
hat sie nur deshalb angeordnet, weil A. sie gewollt hat. 2. Wenn C. dem D. eine Wohnung
mündlich auf zehn Jahre vermietet, erlangt D. das Mietrecht an der Wohnung zwar nicht
auf zehn Jahre, aber doch auf unbestimmte Zeit, so daß die Wohnung ihm mindestens ein
ganzes Jahr unkündbar verbleibt (566). Dies ist eine rechtsgeschäftliche Wirkung der Ver-
mietung des C.; denn das Gesetz hat sie nur deshalb angeordnet, weil sie, wennschon sie
nicht mit der von C. gewollten Wirkung identisch ist, doch denselben Interessen dient wie sie.
II. 1. Wenn E. Silbergerät, das F. ihm zum Aufbewahren gegeben, in der ausgesprochenen
Absicht einschmilzt, dadurch Eigentümer des Silbers zu werden, wird er dem F. schadens-
ersatzpflichtig, während er seine Absicht, das Eigentum des Silbers zu erlangen, nicht erreicht
(823, 950 Ia). Dies ist eine nicht rechtsgeschäftliche Wirkung des Einschmelzens. Denn hier
sind die Rechtswirkung, die E. mit dem Einschmelzen tatsächlich herbeigeführt hat, und die
Rechtswirkung, die er dadurch herbeiführen wollte, nicht nur nicht identisch, sondern sogar
einander entgegengesetzt: während E. mit seinem Eigentumserwerbe seinen eignen Interessen
dienen wollte, dient seine Schadensersatzpflicht den Interessen der Gegenpartei. 2. Wenn
G. Grassamen, den er dem H. gestohlen hat, in der ausgesprochenen Absicht in sein Grund-
stück aussät, dadurch Eigentümer des Samens zu werden, erlangt er tatsächlich das Eigentum
des Samens (94 1). Dies ist eine nicht rechtsgeschäftliche Wirkung der Aussaat des G. Freilich
deckt sie sich genau mit der Wirkung, die G. durch die Aussaat herbeiführen wollte. Diese
Übereinstimmung ist aber eine zusällige. Denn das Gesetz hat den Eigentumserwerb G.8
nicht angeordnet, weil G. ihn gewollt hat, sondern nur deshalb, weil es die brutale Tatsache,
daß der Same, nachdem er einmal ausgesät, mit G.3 Grundstück untrennbar verbunden ist,
nicht zu ändern vermag. G. würde ja genau ebenso Eigentümer des Samens werden,
wenn etwa sein Gärtner J. die Aussaat vorgenommen hätte, um sich selber zum Eigentümer
zu machen. Man sieht: der Wille G.s spielt in diesem Fall keine größere Rolle als der
Wille E.s im Fall II, 1. III. Wenn K. in seinem Testament seine Ehefrau und seine ehelichen
Kinder enterbt und zu seiner Alleinerbin seine Geliebte L. beruft, wird er nach seinem Tode
allein von der L. beerbt, während Frau und Kinder einen Pflichtteilsanspruch haben (1937,
2303). Dies ist teils eine rechtsgeschäftliche, teils eine nicht rechtsgeschäftliche Wirkung des
Testaments: ersteres ist der Fall, soweit das Erbrecht der L., letzteres, soweit das Pflicht-
teilsrecht der Frau und der Kinder in Frage kommt; denn jenes entspricht dem Willen des
K.; dieses entspricht ihm nicht oder braucht ihm wenigstens nicht zu entsprechen.
II. Die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts kann, je nach dessen Art, sehr
verschieden sein. Als besonders wichtig sei hier die obligatorische und
die dingliche Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte erwähnt.
1. Ein Rechtsgeschäft wirkt insoweit obligatorisch, als es jemanden zu
einer Leistung verpflichtet.
2. Ein Rechtsgeschäft wirkt insoweit dinglich, als es neue dingliche Rechte
begründet oder vorhandene dingliche Rechte auf andre Inhaber überträgt, ab-
ändert oder aufhebt.
Beispiel: der Verkauf eines Grundstücks wirkt obligatorisch, die auf Grund des Ver-
kaufs erfolgende Übereignung des Grundstücks vom Verkäuser an den Käufer wirkt dinglich.
Beachtenswert ist, daß die Begriffe „obligatorische“ und „dingliche“ Wirksamkeit eines
Rechtsgeschäfts von verschiedenem Standpunkt aus bestimmt sind: als „obligatorische“ Wirkung
faßt man nur die Neubegründung von Verpflichtungen, als „dingliche“ Wirkung faßt man