§ 53. Nichtige u. anfechtbare Rechtsgeschäfte. 169
2. Eine mildere Art der Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts als die
Nichtigkeit kraft Gesetzes ist die Nichtigkeit kraft Anfechtung.
a) Jedes kraft Anfechtung nichtige Rechtsgeschäft macht ein Vorstadium
durch, indem es zwar „anfechtbar“, aber tatsächlich noch nicht „angefochten“
ist. In diesem Vorstadium ist das Geschäft im allgemeinen gerade so wirksam
wie ein vollgültiges, unanfechtbares Rechtsgeschäft. Das Gesetz nimmt also
grundsätzlich auf die Anfechtbarkeit als solche, d. h. auf die bloße Möglichkeit
einer spätern Anfechtung des Geschäfts, keine Rücksicht.
b) Dies Vorstadium endigt entweder dadurch, daß die Anfechtung tat-
sächlich erfolgt oder dadurch, daß die Befugnis zur Anfechtung erlischt. Im
ersteren Fall wird das anfechtbare Geschäft zu einem angefochtenen, im zweiten
Fall wird es zu einem unanfechtbaren. Hierfür gelten die folgenden Regeln:
a) Die Anfechtung steht nicht jedermann zu. Anfechtungsberechtigt ist viel-
mehr nur die Partei, die das Rechtsgeschäft vorgenommen hat (119, 120 usw.).
6) Die Anfechtung ist eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Sie muß
unbedingt und vorbehaltlos erfolgen.. Im übrigen unterliegt sie den für Rechts-
geschäfte im allgemeinen geltenden Vorschriften; demnach kann es geschehn, daß
sie selber wieder angefochten wird.
)) Die Anfechtung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung (143 1) und
zwar sogar dann, wenn das Rechtsgeschäft, gegen das sie sich richtet, selber nicht
empfangsbedürftig war. Die Adresse, an die die Anfechtung zu richten ist — der
sog. Anfechtungsgegner —, ist sehr verwickelt bestimmt (143 II—IV). Haupt-
fälle: Anfechtungsgegner ist regelmäßig, I. wenn ein Vertrag angefochten wird,
die andre Vertragspartei; II. wenn eine einseitige empfangsbedürftige an eine
Privatperson zu richtende Willenserklärung angefochten wird, eben diese Privat-
person; III. wenn eine einseitige nicht empfangsbedürftige Willenserklärung
oder eine stille Willensäußerung angefochten wird, jeder, der auf Grund des
Rechtsgeschäfts unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt hat.
0) Die Anfechtung ist eine einseitige Willenserklärung, bedarf also der
Zustimmung irgend einer Gegenpartei nicht.
e) Die Anfechtung kann sowohl gerichtlich wie außergerichtlich erfolgen
und bedarf keiner Form, mag auch das Rechtsgeschäft, gegen das sie sich richtet,
selber formbedürftig sein. Auch den Anfechtungsgrund braucht sie nicht anzu-
eben. 25
* 5) Die Anfechtung muß entweder unverzüglich oder doch innerhalb einer
gewissen Frist, die bald sechs Wochen, bald sechs Monate, bald ein Jahr, bald
dreißig Jahre beträgt, erklärt werden (121 I, 1954 I, 1339 I, 124 I, 121 II usw.).
Wird die Frist versäumt, so erlischt das Anfechtungsrecht.
) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Anfechtungsberechtigte das
Geschäft in Kenntnis seines Anfechtungsrechts bestätigt, d. h. als gültig an-
erkennt.? Und zwar geschieht die Bestätigung eines anfechtbaren Geschäfts anders
Za) RG. 66 S. 153. 2b) RG. 65 S. 88. 20) R. 60 S. 372.