Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

170 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte. 
als die eines nichtigen durch eine einseitige Willensäußerung des Anfechtungs- 
berechtigten und bedarf keiner Form, selbst wenn das Geschäft selber form- 
bedürftig ist (144). Ob sie empfangsbedürftig ist oder nicht, ist gesetzlich nicht 
bestimmt; doch ist wohl das erstere anzunehmen.“ 
5) Die einmal erklärte Anfechtung ist unwiderruflich: nicht einmal mit 
Zustimmung des Anfechtungsgegners kann sie rückgängig gemacht werden.“ 
!) Auch von den vorstehenden Regeln müssen manche sich Ausnahmen 
gefallen lassen. Hervorgehoben sei, daß bei anfechtbaren testamentarischen An- 
ordnungen das Anfechtungsrecht nicht dem Erblasser, der die Anordnung ge- 
troffen hat, sondern dem zusteht, der von dem Fortfall der anzufechtenden An- 
ordnung einen unmittelbaren Vorteil hat (2080), daß bei anfechtbaren Ehen 
die Anfechtung der Regel nach nur im Prozeßwege erfolgen und durch Zurück- 
nahme der Klage widerrufen werden kann (1341), usw. 
0) Ist die Anfechtung tatsächlich erfolgt, so wird das vormals anfecht- 
bare, nunmehr wirklich angefochtene Geschäft so angesehn, als sei es von An- 
fang an kraft Gesetzes nichtig gewesen. Die Anfechtung hat also rückwirkende 
Kraft (142 1). Damit hängt folgende Regel eng zusammen: wer weiß oder 
wissen muß, daß ein Geschäft zwar noch nicht angefochten, aber anfechtbar ist, 
wird, wenn die Anfechtung später erfolgt, so behandelt, als habe er die Nichtig- 
keit des Geschäfts schon damals gekannt oder kennen müssen (142 11). 
Beispiele. I. 1. A. wünscht ein dem B. gehöriges altes Gemälde von sehr großem 
Wert, einen angeblichen Mantegna, zu kaufen und macht dem B. ein stattliches Gebot; 
B. schwankt, ob er ja oder nein sagen soll; schließlich wird er aber durch irgendwelche 
Drohungen, die C., ein etwas hitzköpfiger Freund des A., ohne Vorwissen des letzt ern ihm 
zukommen läßt, zu einem ja bestimmt; doch wird ihm bald darauf seine Nachgiebigkeit leid, 
da er sich inzwischen überzeungt hat, daß er vor den Drohungen C.##keine Angst zu haben 
brauchte. Hier kann B. den zwischen ihm und A. über den Mantegna abgeschlossenen Ver- 
trag anfechten (123 I). Was dies zu bedeuten hat, lehrt die solgende Betrachtung. a) Erster 
Fall: der Mantegna ist dem A. von B. zwar verkauft, aber noch nicht übergeben: A. ver- 
langt jetzt gegen Zahlung des bedungenen Kaufpreises die Ubergabe: B. verweigert sie unter 
Berufung auf sein Anfechtungsrecht. a) Solange B. sich auf sein Ansechtungsrecht nur 
„beruft“, aber es unklar läßt, ob er die Anfechtung endgültig aussprechen will, ist seine 
Weigerung unbegründet. Denn solange ist der Verkauf des Bildes, obschon ansechtbar, so 
doch rechtswirksam: B. muß also seine Verkäuserpflichten erfüllen, muß das Bild dem A. 
übergeben. Davon, daß er ein Recht hätte, das Bild solange zurückzubehalten, bis er sich 
über die Anfechtung endgültig schlüssig macht, ist keine Rede; vielmehr muß er in der 
Zwischenzeit, bis die Entscheidung fällt, den Besitz dem A. gönnen. 8§) Dagegen ist die 
Weigerung B.s gerechtfertigt, sobald er den Verkauf des Bildes tatsächlich anficht. Denn 
damit verwandelt er den Verkauf aus einem ansechtbaren in einen nichtigen Vertrag, der 
ihn zu nichts verpflichtcet. b) Zweiter Fall: der Mantegna ist dem A. von B. nicht bloß 
verkauft, sondern auch sofort übergeben worden; B. verlangt jetzt die Rückgabe des Bildes 
unter Berusung auf sein Anfechtungsrecht; A. verweigert sic. a) Solange B. sich auf sein 
Anfechtungsrecht nur „beruft“, ist sein Verlangen unbegründet. Denn solange ist nicht bloß 
der Verkauf, sondern auch die in der ÜUbergabe liegende Übereignung des Bildes (929), 
obschon anfechibar, so doch rechtswirksam; A. ist also sowohl als Käufer wie als Eigentümer 
berechtigt, das Bild zu behalten. 5) Dagegen ist das Verlangen B.s gerechtfertigt, sobald 
3) Abw. Planck zu 8 141. 4) Siehe aber oben zu 3.
	        
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