8 53. Anfechtbare Rechtsgeschäfte. 171
er den Verkauf und die Übergabe tatsächlich anficht. Denn damit entzieht er dem A. mit rück-
wirkender Kraft sowohl das Käuferrecht wie das Eigentum, und sein eignes bisheriges Eigentum
lebt rückwirkend wieder auf. c) Dritter Fall: A. hat, bald nachdem ihm B. den Mantegna über-
geben, erfahren, daß er seinen Erwerb nur den Drohungen des C. verdanke. Dadurch wird der
ganze Handel ihm so verleidet, daß er zunächst bei B. anfragt, ob dieser den Mantegna nicht
wiederhaben wolle, und, als er von B. keine Antwort bekommt, unter Mitteilung des ganzen
Sachverhalts das Bild an D. weiterveräußert; nun verlangt plötzlich B. von D. unter Be-
rufung auf sein Anfechtungsrecht die Herausgabe des Bildes: D. verweigert sie. c) Solange B.
sich auf sein Anfechtungsrecht nur „beruft“, ist sein Verlangen selbstverständlich ebenso unbe-
gründet wie in dem zu b besprochenen Fall. 5) Dagegen ist sein Verlangen gerechtfertigt,
wenn er den Verkauf und die Üübereignung an A. tatsächlich ansicht. Denn da die Anfechtung
rückwirkende Kraft hat, hat sie zur Folge, daß A. so behandelt wird, als sei er niemals
Eigentümer des Bildes gewesen und habe also auch nie die Befugnis gehabt, das Bild an D.
weiterzuveräußern; mit dem Eigentum A.s bricht demnach auch das Eigentum D.ds zusammen,
und D. hat kein Recht, das Bild dem wahren Eigentümer B. vorzuenthalten. Anders wäre
freilich zu entscheiden, wenn D. beim Erwerbe in gutem Glauben gewesen wäre (932). Diese
Voraussetzung trifft aber nicht zu; denn A. hat ja bei der Weiterveräußerung des Bildes dem
D. den „ganzen Sachverhalt“ mitgeteilt; D. hat demnach, als er das Bild erwarb, gewußt oder
nur aus grober Fahrlässigkeit nicht gewußt, daß A. zwar damals Eigentümer des Bildes war
und also die Befugnis zur Weiterveräußerung des Bildes damals noch besaß, daß aber dem B.
das Recht zustand, das Eigentum des A. und damit auch seine Befugnis zur Weiterveräußerung
rückwirkend zu zerstören; er wird also, wenn B. von diesem Recht später tatsächlich Gebrauch
macht, gerade so behandelt, wie wenn A. schon zur Zeit der Weiterveräußerung des Bildes sein
Eigentum und damit die Befugnis zur Weiterveräußerung verloren gehabt hätte; er ist also
damals im Sinn des Gesetzes schlechtgläubig gewesen! 2. In den drei Fällen zu ! ist allein
B. zur Anfechtung berechtigt: er kann den Verkauf und die libereignung des Mantegna nach
eignem Belieben umstoßen, während A. und D. an beide Geschäfte gebunden sind. Die
Folge davon ist, daß B. auf Kosten des A. ohne eignes Risiko frei spekulieren kann,
obschon doch A. in der ganzen Angelegenheit für seine Person außer Schuld ist; B. kann
nämlich in aller Ruhe nach andern Käufern für den Mantegna suchen: bietet keiner mehr
als A., so beläßt B. es bei dem Verkauf an diesen; gibt jemand ein höheres Gebot ab, so
nimmt B. das Bild einfach dem A. oder dem D. fort und gibt es dem neuen Bieter; eben-
dadurch erklärt es sich auch, daß B., wie in den drei Fällen zu 1 als möglich angenommen,
sich über die Anfechtung nicht sosort schlüssig macht und sogar im dritten Fall das Angebot
A.#, das Bild zurückzugeben, unbeantwortet läßt. Und diese Unsicherheit der Lage A.
dauert ein volles Jahr, von dem Tage ab gerechnet, an dem B. sich von seiner Angst vor
dem Hitzkopf C. frei gemacht hat (124)! Ein Mittel, die Frist zu kürzen, steht dem A. oder
dem D. nicht zur Verfügung. 3. Denkbar wäre es nun, daß A., um aus der Unsicherheit
herauszukommen, dem B. auf Umwegen fiktive überaus günstige Gebote auf den Mantegna
zukommen läßt und daß A. nur hierdurch bestimmt wird, den Verkauf und die übereignung
des Bildes an A. anzufechten. Alsdann ist A., wenn er diese Hinterlist erfährt, zur An-
fechtung der Anfechtung befugt. Das würde in dem Fall zu 1c bedeuten, daß das Eigentum
des Bildes, nachdem es bereits einmal auf D. übergegangen und ihm dann wieder entrissen
ist, dem D. von neuem zufällt. 4. a) In den drei Fällen zu 1 muß B. die Anfechtung, da
sie einen zwischen ihm und A. abgeschlossenen Vertrag betrifft, gegenüber A. als der andern
Vertragspartei erklären, und nicht etwa gegenüber dem Urheber der Drohungen C. So auch
in dem Fall zu 1c, obschon man denken könnte, die Anfechtung wärc hier an die Adresse
des neuen Erwerbers D. zu richten. Denn auch in diesem Fall ist Gegenstand der Anfech-
tung der erste zwischen B. und A. und nicht der zweite zwischen A. und D. abgeschlossene
Vertrag. Freilich wird, wenn B. den erstern Vertrag ansicht, auch der zweite Vertrag in-
soweit unwirksam, als D. das durch den zweiten Vertrag gewonnene Eigentum nunmehr
wieder einbüßt. Das beruht aber nicht darauf, daß der zweite Vertrag gleichfalls angefochten,
sondern daß ihm durch die Anfechtung des ersten Vertrags eine der Grundlagen seiner Wirk-
samkeit entzogen wird. Es kann also geschehn, daß D. sein Eigentum an dem Bilde ver-