Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 53. Relativ unwirksame Rechtsgeschäfte. 173 
sich zu verschieden, als daß sich für sie gemeinsame Vorschriften aufstellen 
ließen. 
Hierher gehörige Fälle sind: ein Erblasser widerruft ein von ihm errichtetes Testament; 
der im Testament eingesetzte Erbe stirbt vor dem Erblasser usw. 
4. Zu 1—3 sei noch bemerkt, daß die Terminologie der neuern Gesetze 
in Ansehung der Unwirksamkeit der Rechtsgeschäfte mehr als verworren ist. 
So wird ohne jeden erkennbaren Grund der Ausdruck „Nichtigkeit“ im bürger- 
lichen Gesetzbuch nur auf einen Teil der Fälle angewendet, in denen Rechts- 
geschäfte von Anfang an der rechtsgeschäftlichen Wirkung entbehren, und in den 
übrigen Fällen der farblose Ausdruck „Unwirksamkeit“ gebraucht (vgl. 105 I 
mit 111 a). Und schlimmer noch, der Ausdruck „Anfechtbarkeit“ hat in der 
Konkursordnung eine ganz andre Bedeutung als die, die, wie oben dargelegt, 
für das bürgerliche Gesetzbuch maßgebend ist: sie bedeutet hier nicht, daß das 
angefochtene Geschäft mit rückwirkender Kraft nichtig wird, sondern daß die 
Gegenpartei obligatorisch verpflichtet ist, es in gewisser Art rückgängig zu 
machen (Konk Ordn. 37).7 
IV. Eine Mittelstellung zwischen den wirksamen und den unwirksamen 
Geschäften nehmen die relativ unwirksamen Geschäfte ein. 
1. Daß ein Rechtsgeschäft relativ unwirksam ist, bedeutet, daß es von 
Anfang an gegenüber bestimmten Personen keinerlei rechtsgeschäftliche Wir- 
kung hat: diese Personen gewinnen und verlieren rechtsgeschäftlich kein Recht 
durch das Geschäft; eben sie werden dadurch rechtsgeschäftlich weder mit Pflichten 
belastet noch von Pflichten befreit. Dagegen ist das Geschäft gegenüber allen 
andern Personen wirksam wie ein vollgültiges Geschäft; doch ist es natürlich 
nicht ausgeschlossen, daß die Unwirksamkeit des Geschäfts gegenüber den erst- 
genannten Personen wenigstens mittelbar auch andre Personen in Mitleiden- 
schaft zieht. 
2. Die relative Unwirksamkeit eines Geschäfts kann dadurch geheilt werden, 
daß die Personen, gegenüber denen die Unwirksamkeit besteht, das Geschäft 
genehmigen. Die Genehmigung ist eine rechtsgeschäftliche, empfangsbedürftige, 
einseitige, formlose Erklärung und hat rückwirkende Kraft (s. 182 ff.). 
3. Im übrigen wird die relative Unwirksamkeit ebenso behandelt wie die 
Nichtigkeit kraft Gesetzes. Man könnte sie deshalb ebensogut relative „Nichtig- 
keit“ nennen. 
Beispiel. A. hat eine ihm gegen B. zustehende fällige Forderung eine Stunde, nach- 
dem über sein Vermögen Konkurs eröffnet worden war, dem C. verkauft und abgetreten. 
Hier ist der Verkauf und die Abtretung gegenüber den Konkursgläubigern unwirksam (Konk- 
Ordn. 7). I. Demnach kann der Konkursverwalter D. als Verteter der Interessen der Kon- 
kursgläubiger den Verkauf und die Abtretung der Forderung einfach ignorieren. Insbesondre 
kann er den B. auf Bezahlung der Forderung belangen; er kann, wenn A. dem C. den 
Schuldschein über die Forderung ausgehändigt hat, dessen Herausgabe von C. beanspruchen; 
7) Endemann 1 S. 12514. Abw. z. B. Crome 1 S. 353; Hellwig, Ztschr. f. Ziv. 
Proz. 26 S. 474.
	        
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