178 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
gehoben wird (s. oben S. 94). Hier wird nämlich dem Aufhebungsbeschluß rückwirkende
Kraft teilweise zugestanden, teilweise versagt: sie wird ihm zugestanden in Ansehung der
Frage, ob der Entmündigte während der Dauer der Entmündigung geschäftsfähig, sie wird
ihm versagt in Ansehung der Frage, ob der dem Entmündigten bestellte Gewalthaber ihn
zu vertreten befähigt war. Demgemäß sind sowohl die Geschäfte, die der Entmündigte selber,
wie die Geschäfte, die in seinem Namen sein Gewalthaber vorgenommen hat, vollgültig (115 1).
Beispiel: die Mietwohnung des wegen Geisteskrankheit entmündigten A. ist ihm kurz vor
der Entmündigung gekündigt worden, und er hat sich gleich nach der Entmündigung schleunigst
eine neue sehr teure Wohnung gemietet; der ihm bestellte Vormund war aber damit nicht
einverstanden, sondern mietete eine andre billigere Wohnung für ihn; nun wird der Ent-
mündigungsbeschluß auf Grund einer Anfechtungsklage des A. wieder aufgehoben; die Folge
ist, daß A. alle beide Wohnungen bezahlen muß.“
II. So wenig, wie eine rechtsgeschäftliche Willensäußerung von einem Ge-
schäftsunfähigen persönlich abgegeben werden kann, so wenig darf sie, wenn sie
empfangsbedürftig ist, „gegenüber“ einem Geschäftsunfähigen abgegeben werden:
diesem fehlt also nicht bloß die Fähigkeit zur aktiven Vornahme von Rechtsgeschäften,
sondern er ist auch passiv geschäftsunfähig. Eine für einen Geschäfts-
unfähigen bestimmte empfangsbedürftige Willenserklärung ist demnach nur
gültig, wenn sie nicht an seine eigne, sondern an seines Gewalthabers Adresse
gerichtet wird, und wird nicht schon wirksam, wenn sie dem Geschäftsunfähigen
selbst, sondern erst dann, wenn sie seinem Gewalthaber zugeht (s. 131 D.
Beispiele. I. A. hat seit dem 1. Jan. O6 von B. eine Wohnung gemietet; laut Ver-
einbarung gilt der Mietvertrag, wenn er nicht spätestens am 1. April eines Jahrs gekündigt
wird, immer als bis zum Schluß des nächstfolgenden Jahrs verlängert; demgemäß kündigen
A. und B., nachdem sie am 31. März 08 einen heftigen Wortwechsel miteinander hatten, am
1. April 08 ihren Vertrag gegenseitig schriftlich auf das Ende des Jahrs; am 30. März ist
aber B. wegen Geisteskrankheit entmündigt worden, und C. ist ihm zum Vormunde bestellt;
A. hat hiervon erst Mitte April Kenntnis erlangt. 1. Hier ist die Kündigung B.s an N.
selbstverständlich nichtig. 2. a) Ebenso nichtig ist aber auch die Kündigung A.s an B., falls
der Kündigungsbrief A.s dem Vormunde C. gar nicht oder erst nach dem 1. April C8 zugeht.
b) Anders, wenn der Kündigungsbrief A.#s noch am 1. April 08 an C. gelangt, sei es, daß
die Post den Brief dem C. unmittelbar ausliefert, sei es, daß der Brief zunächst von dem.
kranken B. in Empfang genommen, dann aber sofort von ihm an den Vormund D. weiter-
gegeben wird. Hier ist nämlich zu unterscheiden wie folgt. a) Ist, wie es regelmäßig zu-
treffen wird, anzunehmen, daß A. den Kündigungsbrief nicht ausschließlich dem B. persönlich
zugedacht hat, sondern eventuell damit einverstanden war, daß der Brief von einem Stell-
vertreter Bos in Empfang genommen wurde, so ist die Kündigung gültig. J) Ist umgekehrt
ausnahmsweise anzunehmen, daß der Brief rein persönlich an B. gerichtet war, so ist die
Kündigung, weil falsch adressiert, ungültig. II. Derselbe Fall; nur geschah die Kündigung.
A.3 an B. mündlich. Hier ist die Kündigung gültig, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt
sind: 1. B. muß die Kündigung noch am 1. April dem C. mitgeteilt haben; 2. A. muß
wenigstens eventuell damit einverstanden gewesen sein; 3. C. darf die Mitteilung B.s nicht
unverzüglich zurückgewiesen haben.
6) Das Beispiel ist aus Lenels Praktikum, 3. Aufl. (07) Nr. 75 entnommen.
7) Planck Anm. 2 b zu § 131.