180 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäste.
über einer der Personen zu 1 abgegeben ist, erst dann wirksam, wenn diese
Person nachträglich das klare Bewußtsein wieder erlangt hat und nunmehr in
der Lage ist, von der Willenserklärung Kenntnis zu nehmen.
Beispiele. A., der krank im Bett liegt, hat mit dem Hauslehrer seines Sohnes B. am
Vormittag des 19. August 08 eine Auseinandersetzung, die damit schließt, daß der auf unbe-
stimmte Zeit abgeschlossene Dienstvertrag B.s für den 30. Sept. 08 gekündigt wird; während
der ganzen Verhandlung hatte A. hohes Fieber und war nicht Herr seiner Sinne; erst am
21. August kommt er wieder zu sich und ist höchst erstaunt, als seine Frau, die den Vorfall
vom Nebenzimmer aus unbemerkt beobachtet hat, ihm davon Mitteilung macht. 1. Hier ist
die Kündigung, wenn sie von A. ausging, in jedem Fall ungültig (105 II). II. 1. Dagegen
ist die Kündigung gültig, wenn sie von B. ausging und dieser nicht erkannt hat und nach
Lage des Falls auch nicht zu erkennen brauchte, daß A. nicht bei Sinnen war. 2. Ebenso
gültig ist die von B. ausgehende Kündigung, wenn er den Zustand A.# richtig erkannt und
deshalb seine Kündigung sosort brieflich aufgesetzt und zur Post gegeben hat, vorausgesetzt,
daß der Kündigungsbrief noch am nämlichen Tage in A.s Hause abgeliefert wurde. Denn
nach der Verkechrsanschauung konnte B. bei einer brieflichen Mitteilung an A. dessen Krankheit
unbeachtet lassen; er konnte erwarten, daß A. für derartige Fälle plötzlicher Behinderung
irgendeinen Hausgenossen zum Empfang von Briefen ermächtigt haben würde. Deshalb ist
B.s Brief dem A. schon am 19. August richtig zugegangen, obschon A., wie B. voraussehn
mußte, an diesem Tage gar nicht in der Lage war, den Brief persönlich mit Verständnis zu
lesen. 3. Anders, wenn B., obschon er den Zustand A.#8#erkannt hat oder hätte erkennen
müssen, es bei einer mündlichen Kündigung an A. hat bewenden lassen. Denn bei münd-
lichen Erklärungen verlangt es die Verkehrssitte durchaus, daß der Urheber auf das mangelnde
Verständnisvermögen des Empfängers, soweit es ihm erkennbar, peinliche Rücksicht nimmt.
Demgemäß hätte B.s Kündigung in diesem Fall frühestens am 21. August wirksam werden
können, als sie dem A. von seiner Frau mitgeteilt wurde, und das wäre zu spät gewesen (622).
Aber auch dann, wenn A. schon am 19. August abends zu klarem Bewußtsein gekommen
wäre und Frau A. ihm die Kündigung sosort mitgeteilt hätte, müßte die Entscheidung die-
selbe sein; denn Frau A. war weder von A. zum Anhören noch von B. zum Weiterbestellen
der Kündigung ermächtigt. Dagegen wäre die Kündigung am Abend des 19. gültig ge-
worden, wenn, als Frau A. sie ihm mitteilte, A. selbst sich ihrer wieder bestimmt erinnert
hätte (Analogie von 131 1).
c) Beschränkt geschäftsfähige Personen.
§ 57.
I. 1. Nur unter erheblichen Einschränkungen ist zur Vornahme von Rechts-
geschäften zugelassen, wer beschränkt geschäftsfähig ist.
a) Beschränkt geschäftsfähig sind:
a Minderjährige, die das 7. Lebensjahr vollendet haben ' (106);
5) Personen, die wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht
entmündigt sind (114);
)) Personen, die unter vorläufige Vormundschaft gestellt sind (114).
b) Die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen gilt —
wenn man davon absieht, daß sie nach vollendetem 16. Lebensjahr testaments-
mündig werden (2229 II) — vom Beginn des 8. Lebensjahrs bis zum Voll-
jährigkeitstermin unverändert fort: der zwanzigjährige ist, wenn er nicht etwa
1) Siehe oben § 28 II. 2) Siehe oben § 29 I, 1. 3) Siehe oben § 29 1, 2.