Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 57. Lästige Verträge beschränkt geschäftsfähiger Personen. 187 
daß M. in den Kauf nicht im voraus eingewilligt hat; möglich ist es aber auch, daß dieser 
Verdacht unbegründet ist und der Kauf K.s zu Recht besteht. b) Aber auch dann, wenn L. 
feststellen kann, daß M. in den Kauf nicht im voraus eingewilligt hat, ist L.s Lage immer noch 
unangenehm genug. Denn er muß auf die nachträgliche Zustimmung M.s volle 14 Tage 
warten, und es ist mehr als fraglich, ob auch N. die Neigung haben wird, sein Gebot auf 
das Pferd so lange aufrecht zu halten. Ja es kann sogar sein, daß L. durch seine Aufforderung 
geradezu geschädigt wird. Denn vielleicht hat M. in der Zwischenzeit seinem Mündel erklärt, 
daß er den Kauf nachträglich genehmige. Diese Genehmigung wird nun durch die Auf- 
sorderung L.s wirkungslos! Es ginge also dem L. sowohl das Gebot des K. wie das des 
N. verloren. 2. Weit besser ist die Rechtslage L.s, wenn er beim Abschluß des Kaufs 
den K. für volljährig gehalten oder wenn K. ihm damals positiv versichert hat, M. sei mit 
dem Kauf einverstanden. Hier kann nämlich L., wenn M. in Wirklichkeit seine Einwilligung 
in den Kauf nicht im voraus gegeben und wenn er auch seitdem nicht nachträglich zu- 
gestimmt hat, den Kauf sofort widerrufen und das Gebot des N. annehmen. Indes woher 
soll M. wissen, ob dem doppelten „wenn“, von dem sein Kündigungsrecht abhängt, genügt 
ist? Und solange er das nicht weiß, weiß er auch nicht, ob er den Verkauf an K. wider- 
rufen, ob er den Verkauf an N. vornehmen darf. Unter allen Umständen ist es aber zweck- 
mäßig, wenn er, ehe er den Verkauf an K. widerruft, den M. zunächst auffordert, sich über 
seine Zustimmung zu dem Kauf K.s zu äußern; denn L. verliert dadurch keine Zeit, weil 
er ja nicht erst abzuwarten braucht, was M. auf die Aussorderung antworten wird, sondern, 
so seltsam das klingt, der Aufforderung den Widerruf auf dem Fuß folgen lassen kann; und 
er hat von der Aufforderung den großen Vorteil, daß er durch sie eine etwaige Zustimmung 
zu dem Kauf K.S, die M. in der Zwischenzeit zwischen dem Kaufabschluß des K. und dem 
Empfang der Aufforderung des L. vielleicht gegenüber seinem Mündel erklärt hat, entkräftet. 
3. In beiden Fällen kann L. so lange, als M. nicht zugestimmt hat, verlangen, daß K. ihm 
das Pferd einstweilen wiedergibt; denn K. hat kein Recht darauf, während sein Kauf noch in 
der Schwebe ist, im Besitz des Pferdes zu sein. V. 1. a) O. verkauft seinem Bruder P., 
der wegen Verschwendung entmündigt ist, aber sich zweifellos gebessert hat, zwei Tage, bevor 
die Entmündigung aufgehoben wird, am 5. Mai 07, gewisse Aktien, die für O. bei dem 
Bankier O. lagern, und übereignet sie ihm durch Abtretung seines Herausgabeanspruchs 
gegen O. (931); am 5. Dezember 07 erinnert er den P. an die Bezahlung des Kaufpreises 
und gibt ihm zugleich den Rat, die Aktien schleunigst zu verkaufen, da ihnen ein starker 
Kurssturz drohe; möglich sei es freilich auch, daß bei einer schnellen Anderung der Konjunktur 
der Kurs umgekehrt eine erhebliche Steigerung erfahren werde; darauf schreibt P., daß er 
beim Kauf der Aktien noch entmündigt gewesen sein und sich alle weitere Schritte vorbehalten 
müsse. Hier ist P., obschon seit dem Kauf der Aktien mehr als ein halbes Jahr verflossen 
und obschon er bereits mehr als ein halbes Jahr wieder mündig ist, im Recht. Das will 
besagen: P. kann in aller Ruhe auf Kosten des O. spekulieren 1; steigen die Aktien, so 
genehmigt er den Kauf nachträglich, fallen sie, so verweigert er die Genehmigung; und zwar 
hat er zu dieser risikofreien Spekulation 14 Tage Zeit, gerechnet von dem Tage ab, an dem 
O. ihn aufforderte, sich über seine nachträgliche Genehmigung zu äußern. b) Derselbe Fall; 
nur hat P. die fraglichen Aktien im Juli 07 von O. abgeholt und hat die im Oktober fällig 
gewordene Dividende der Aktien eingelöst, also den Aktienkauf zweifellos nach erreichter 
Mündigkeit bestätigt. Hier ist die Entscheidung keine andre als zu 1.; denn diese Bestätigung 
ist nicht gegenüber O. erklärt, geht ihn also nichts an. 2. Der nämliche P. hat am 
15. April 07 ohne Zustimmung seines Vormundes R. von S. ein Haus gekauft; als S. hört, 
daß P. entmündigt ist, fordert er den R. am 5. Mai 07 auf, sich über seine Zustimmung 
zu dem Kauf zu erklären. Hier kann die Ungültigkeit des Kaufs dadurch geheilt werden, 
daß R. mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts dem Kaus bis zum 7. oder P. selber 
ohne gerichtliche Genehmigung ihm in der Zeit vom 7. bis zum 19. Mai zustimmt. 
Die Zustimmung zu einem lästigen Vertrage einer beschränkt geschäftsfähigen Person 
kann von deren Gewalthaber auch unter einer Bedingung erteilt werden, vorausgesetzt, daß der 
11) Siehe oben S. 171 zu 2.
	        
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