Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

192 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte. 
zahlen; denn sie war zur Zahlung des Lohns an die A. persönlich zwar befugt, aber nicht 
verpflichtet. III. Dieselbe A. ist von ihrem Vormunde B., als sie 14 Jahre alt wurde, der 
Putzmacherin C. in die Lehre gegeben. Hier ist sie gänzlich unselbständig; sie hat also ohne 
B.s Zustimmung weder das Recht zur Kündigung noch zum Lohnempfang noch zur Annahme 
einer neuen Lehr= oder Dienststelle. Denn ein Lehrverhältnis ist kein Arbeitsverhältnis. 
Die Ermächtigung zum selbständigen Betriebe eines Erwerbsgeschäfts oder zum Eintritt 
in ein Arbeitsverhältnis ist von dem oben S. 188 besprochenen Generalkonsens zur Vornahme 
lästiger Rechtsgeschäfte grundsätzlich verschieden. Denn jene Ermächtigung verleiht ja der 
beschränkt geschäftsfähigen Person, der sie zuteil wird, in gewissem Umfang unbeschränkte 
Geschäftsfähigkeit; ein bloßer Gencralkonsens läßt dagegen ihre beschränkte Geschäftsfähigkeit 
als solche fortbestehn. Praktisch tritt dieser Unterschied am deutlichsten in folgender Regel 
hervor: hat ein Minderjähriger auf Grund einer der beiden „Ermächtigungen“ einen lästigen 
Vertrag abgeschlossen, so kann er aus ihm, wie ein Volljähriger, selbständig auf Erfüllung 
klagen und verklagt werden; dagegen ist ihm, wenn der Vertrag auf Grund eines bloßen 
Generalkonsenses abgeschlossen ist, die selbständige Prozeßführung versagt. Weiter: der Umfang 
der beiden Ermächtigungen ist gesetzlich einigermaßen festgelegt, während der Umfang eines 
Generalkonsenses völlig von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist. Endlich: die Zu- 
lässigkeit der beiden Ermächtigungen ist durch ihre Anerkennung im Gesetz jedem Zweifel 
entrückt, während die Zulässigkeit des Generalkonsenses, wie wir sahen, äußerst streitig ist. 
e) Die Spezialregeln für besondre Rechtsgeschäfte können hier 
nicht einzeln aufgeführt werden. Nur zur allgemeinen Orientierung sei er- 
wähnt: 
a) daß die Gewährung von Geschenken, die nicht durch Anstand oder 
Sitte geboten sind, den beschränkt geschäftsfähigen Personen nicht einmal mit 
Zustimmung ihres Gewalthabers und des Vormundschaftsgerichts gestattet ist 
(t. 1641, 1804); 
5 daß bei der Errichtung von Testamenten zwischen Minderjährigen über 
16 Jahren einerseits und allen andern beschränkt geschäftsfähigen Personen 
andrerseits unterschieden wird, indem die Fähigkeit zur Testamentserrichtung 
jenen auch ohne Zustimmung von Gewalthaber und Gericht zugestanden, diesen 
selbst mit Zustimmung von Gewalthaber und Gericht versagt wird (2229); 
i?) daß die Ehe, die eine beschränkt geschäftsfähige Person ohne Zu- 
stimmung ihres Gewalthabers abschließt, nicht heilbar nichtig, sondern anfechtbar 
ist (1304, 1331). · 
II.WienachdenRegelnzuIdieaktive,sowirdbeidenempfangsbe- 
dürftigen Rechtsgeschäften auch die passive Geschäftsfähigkeit der beschränkt 
geschäftsfähigen Personen mehr oder minder eingeschränkt. 
1. Eine empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Willenserklärung kann näm- 
lich der Regel nach an die Adresse einer beschränkt geschäftsfähigen Person nur 
dann gerichtet werden, 
a) wenn sie ihr einzig und allein rechtsgeschäftlichen Vorteil bringt 
(131 IIh); 
b) wenn der Gewalthaber im voraus seine Zustimmung dazu gegeben 
hat (131 IIh); 
J) wenn die beschränkt geschäftsfähige Person zum selbständigen Betriebe 
eines Erwerbsgeschäfts oder zum Eintritt in ein Arbeitsverhältnis ermächtigt
	        
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