§ 58. Verfügungsfähigkeit. Konvalescenz nichtiger Verfügungen. 195
gläubiger Verfügungsmacht über das Eigentum am Pfande zu verleihn (1242). II. C.
hat sich von D. eine diesem gehörige Fahrnissache geliehn. Hier kommt die Fähigkeit
zur Veräußerung der Sache, also zu einer Verfügung über das Eigentum an der Sache,
zu: 1. dem D., weil er Inhaber eben dieses Eigentumsrechts ist; 2. dem C., weil er
als tatsächlicher Besitzer der Sache Inhaber eines diesem Eigentumsrecht entsprechenden
Scheinrechts ist; die Verfügungsmacht des C. setzt aber nach den „Vorschriften zu
gunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten“, voraus,
daß der Dritte, an den C. die Sache veräußert, sich nicht in schlechtem Glauben
befindet und daß C. die Sache ihm nicht bloß veräußert, sondern auch übergibt (932).
III. E. hat ein ihm gehöriges Buch anstößigen Inhalts dem F. mit dem Auftrage gegeben,
es zu veräußern; und zwar soll F. die Veräußerung in eignem Namen vornehmen, weil E.
nicht will, daß er als Besitzer des Buchs bekannt werde. Hier ist zur Verfügung über E.
Eigentum fähig: 1. E. selbst als Inhaber eben dieses Eigentums; 2. F. kraft Ermächtigung
des Eigentümers. IV. G. will, daß ein seiner Frau gehöriges und von ihr in die Ehe ein-
gebrachtes Grundstück an H. veräußert werden soll, während Frau G. es an den J.
veräußern will. Hier ist G. zur Verfügung über das Eigentum seiner Frau fähig, wenn
das Vormundschaftsgericht ihn dazu ermächtigt (1379); dagegen besitzt Frau G. selber diese
Fähigkeit nicht, da ihr während der Ehe eine Verfügungsbeschränkung (unten zu 3) dahin
auferlegt ist, daß sie über ihr eingebrachtes Gut grundsätzlich nur mit Einwilligung des
Mannes verfügen kann (1395).
Aus der Ausführung zu 9—3 geht hervor, wie falsch der oft vorgetragene Satz ist:
nemo plus juris transferre potest duam ipse habet.
Daß ich die „Ermächtigung“ zur Verfügung über fremde Rechte zu & und das „Recht“
zur Verfügung über fremde Rechte zu 6 scharf voneinander trenne, beruht darauf, daß ich
eine auf einer Ermächtigung beruhende Befugnis nicht (oder doch nicht immer) als ein echtes
„Recht“ ansehe. Denn die Ermächtigung ist grundsätzlich frei widerruflich (185 I, 183).
Es ist also kein Verlaß auf sie (siehe oben S. 56 U).
J) Trifft jemand über ein Recht eine Verfügung, obschon ihm die Ver-
fügungsmacht in Ansehung des Rechts mangelt, so ist die Verfügung nichtig.
Doch kann die Nichtigkeit nachträglich mit rückwirkender Kraft geheilt werden.
Man sagt alsdann, daß die Verfügung konvalesciere.
a) Die Nichtigkeit wird erstens geheilt, wenn die Person, der die Ver-
fügungsmacht zusteht, die Verfügung nachträglich genehmigt (185 II). Eine
Frist für die Erteilung dieser Genehmigung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben;
selbst dadurch, daß der Verfügungsberechtigte von der Gegenpartei ausdrücklich
aufgefordert wird, sich über seine Genehmigung zu erklären, wird ihm (anders
als in dem verwandten Fall, wo der lästige Vertrag einer beschränkt geschäfts-
fähigen Person von deren Gewalthaber nachträglich zu genehmigen ist) eine
feste Frist nicht gesetzt.
5) Die Nichtigkeit wird zweitens geheilt, wenn der Verfügende die Ver-
fügungsmacht nachträglich erwirbt oder wenn er von der Person, der die Ver-
fügungsmacht zusteht, beerbt wird und diese für die Nachlaßverbindlichkeiten
unbeschränkt haftet; sind mehrere Verfügungen erfolgt, die miteinander nicht in
Einklang stehen, so wird nur die frühere Verfügung wirksam (185 II).
Beispiele. I. A. hat eine Sache, die er dem Eigentümer B. gestohlen hatte, nach-
einander durch Besitzkonstitut (930) an C. und D. veräußert. Hier hatte A. keine Ver-
fügungsmacht über B.3 Eigentum; denn auch die „Vorschriften zugunsten derjenigen, die Rechte
von einem Nichtberechtigten herleiten“, gewähren ihm eine solche Verfügungsmacht, da es sich
hier um eine gestohlene Sache handelt, nicht (935). Sonach sind beide Verfügungen A.5 nichtig
13*