§ 59a. Stille Vertragsannahme ohne Erklärung gegenüber dem Antragsteller. 207
wäußern“: es muß also aus ihrem Verhalten hervorgehn, daß sie den ihr an-
getragnen Vertrag auch ihrerseits rechtsverbindlich zustande bringen will.
Demgemäß genügt es durchaus nicht, daß sie sich dem Antrage gegenüber
passiv verhält, also etwa den ihr brieflich mitgeteilten Antrag unbeantwortet
läßt und auch im übrigen ignoriert; denn dies passive Verhalten kann ebenso
gut bedeuten, daß der Antrag gar nicht zu ihrer Kenntnis gekommen ist oder
daß sie ihn wieder vergessen hat oder daß sie ihn keiner Beachtung wert hält.
6) Dagegen ist es nicht erforderlich, daß die Äußerung der Annahme
durch eine Willenserklärung (oben S. 156), geschieht geschweige denn, daß diese
Erklärung gerade an den Antragsteller gerichtet ist und tatsächlich dem Antrag-
steller zugeht. Es ist also sehr wohl möglich, daß der Antragsteller nicht
nur nichts von der Annahme erfährt, sondern daß die Gegenpartei ihm nicht ein-
mal die Gelegenheit dazu bietet, die Annahme zu erfahren.
c) Eine fernere Ausnahme gilt in Ansehung der Annahme, wenn ein
Vertrag gerichtlich oder notariell beurkundet wird, ohne daß beide Parteien
gleichzeitig anwesend sind: hier wird, falls nichts andres bestimmt ist, die An-
nahme sofort wirksam, sobald ihre Beurkundung vollzogen ist, während es
darauf, ob und wann sie dem Antragsteller zugeht, nicht ankommt (152).7
Beispiele. I. A. hat, um rasch zu Geld zu kommen, dem B. brieflich Wertpapiere
zum Kauf weit unter ihrem wahren Wert angeboten; doch ist A.8 Brief bei B. nicht an-
gekommen; indes hat B. durch einen gemeinsamen Bekannten von A.s Antrag Kenntnis
erlangt und sofort telegraphisch die Annahme erklärt; A. antwortet aber, daß er das nötige
Geld inzwischen von andrer Seite erhalten habe und seinen Verkaufsantrag zurücknehme.
Hier ist A. im Recht; denn ein Vertrag zwischen ihm und B. ist nicht zustande gekommen,
da sein Antrag dem B. nie zugegangen und also auch nie rechtswirksam geworden ist.
II. C. sendet dem D., ohne daß dieser es bestellt hatte, ein Los zum Ankauf zu, erhält
aber wochenlang keine Antwort; es ist also unsicher, ob D. den Antrag angenommen hat
oder nicht. 1. Der Regel nach ist diese Unsicherheit für C. juristisch ohne Belang; denn es
steht ja fest, daß, wenn D. etwa angenommen haben sollte, diese Annahme unwirksam sein
würde, da ja nur eine Annahme gilt, die dem C. zugegangen ist; C. hat also wegen des
Loses freie Hand. 2. Ganz anders, wenn C. so unvorsichtig gewesen ist, seiner Sendung
die Klausel beizufügen: „Antwort nur nötig, wenn Sie das Los nicht behalten wollen“;
denn dann kann der Nichteingang einer Antwort des D. ebensogut eine gültige Annahme
wie eine Nichtannahme des Antrages bedeuten. Ob das eine oder das andre der Fall,
hängt von Umständen ab, die dem C. zunächst gänzlich unbekannt sind, so daß er durchaus
nicht weiß, ob er wegen des Loses gebunden ist oder nicht. a) Er ist z. B. gebunden, wenn
D. ihm die Annahme des Loses brieflich mitgeteilt hat, der Brief aber auf der Post ver-
loren gegangen ist oder wenn D. das Los in dem ordentlich geführten Verzeichnis seiner
Wertpapiere eingetragen hat: denn in diesen Fällen hat D. seinen Annahmewillen, wenn-
schon nicht dem C. erklärt, so doch anderweit deutlich geäußert, und das genügt. b) Dagegen
ist er nicht gebunden, wenn D. in Ansehung des Loses weiter nichts getan hat, als daß er
es in Verwahrung nahm; denn die Verwahrung konnte ebensogut in dem Interesse des C.
wie in seinem eignen Interesse geschehn sein, enthielt also keine unzweideutige Außerung des
Annahmewillens. Dasselbe ist der Fall, wenn etwa D. seinem Bruder E. gesprächsweise
von dem Lose erzählt und dabei gesagt hätte: „ich bin entschlossen, das Los zu behalten“;
denn eine solche gelegentliche Bemerkung gegenüber einem Unbeteiligten genügt gleichfalls
nicht um festzustellen, daß D.s Entschluß ein endgültiger, rechtsgeschäftlicher gewesen ist.
1) Siehe R. 49 S. 127.