Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

208 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte. 
III. F. schickt dem G. mit der Post eine Partie Bücher zum Einbinden zu, erhält aber von G. 
keine Antwort. Hier ist er, gerade wie C. im Fall II, 2, im unklaren, ob G. angenommen 
hat oder nicht; denn er kann nach der Verkehrssitte in einem Fall wie diesem eine Annahme- 
erklärung G.s an seine Adresse nicht erwarten. 1. Beispielsweise ist der Antrag F.s ange- 
nommen, wenn G. die Bücher sofort in Arbeit genommen hat. 2. Umgekehrt ist er nicht 
angenommen, wenn G., weil mit andern Arbeiten überhäuft, das Packet F.## uneröffnet auf 
den Boden geschafft hat. IV. H. bietet sein Haus dem J. zum Kauf an, läßt das Angebot 
vom Notar K. beurkunden und sendet die Urkunde dem J. zu; J. begibt sich sofort zu dem 
Notar L., läßt von diesem beurkunden, daß er H.S Antrag annimmt und schickt beide Ur- 
kunden an H.; die Urkunden gehn unterwegs verloren. Hier ist der Kaufvertrag zustande 
gekommen, obschon die Annahmeerklärung J.s dem H. nie zugegangen ist. 
4. a) Der Antragsempfänger muß die Annahme innerhalb bestimmter 
Frist äußern. Der Antragsteller kann diese Frist in seinem Antrage beliebig 
lang oder beliebig kurz festsetzen (148, 151). Fehlt eine solche Festsetzung, so 
ist zu unterscheiden wie folgt: 
a) Die Annahme mittels empfangsbedürftiger Willenserklärung. 
aga) Ist der Antrag einem Anwesenden gemacht, so muß die Annahme 
sofort geschehn; der anwesende Antragsempfänger soll also keine Zeit haben, 
sich seine Antwort erst zu überlegen. Als anwesend gilt der Antragsempfänger 
auch dann, wenn ihm der Antrag von Person zu Person durch den Fern- 
sprecher zuging (147 —I). 
65) Ist der Antrag einem Abwesenden gemacht, so muß die Annahme 
bis zu dem Zeitpunkt geschehn, in dem der Antragsteller den Eingang der 
Antwort unter regelmäßigen? Umständen erwarten darf (147 I). Es ist also 
weder erforderlich noch genügend, daß der Antragsempfänger die Annahme- 
erklärung an den Antragsteller „sofort“ absendet. Es ist nicht erforderlich: 
denn zu den „regelmäßigen Umständen", von denen das Gesetz spricht, gehört 
es, daß der Antragsempfänger den Antrag erst prüft, ehe er ihn annimmt; 
zwischen den Empfang des Antrages und die Absendung der Annahme- 
erklärung ist also eine mäßige Überlegungsfrist einzuschieben. Es ist nicht ge- 
nügend: denn nicht darauf, wann die Annahmeerklärung von dem Antrags- 
empfänger abgesendet wird, sondern nur darauf, wann sie beim Antragsteller 
eintrifft, kommt es an, und auch eine sofort abgesendete Annahmeerklärung 
kann beim Antragsteller verspätet eintreffen, sei es, daß die Annahmeerklärung 
auf der Reise zum Antragsteller eine Verzögerung erleidet, die den regelmäßigen 
Umständen nicht entspricht, sei es, daß die Annahmeerklärung selber ohne Ver- 
zug reist, aber bereits der Antrag auf der Reise zum Antragsempfänger eine 
außergewöhnliche Verzögerung erfahren hatte. 
6) Die Annahme mittels stiller Willensäußerung muß binnen einer Frist 
erfolgen, die „nach den Umständen“ zu bestimmen ist (151). Darauf, ob der 
Antrag einem Anwesenden oder einem Abwesenden gemacht wurde, kommt es 
in diesem Fall nicht an. 
Beispiele. I. 1. A. bietet seinem mit ihm im selben Hause wohnenden Mieter B. eine 
2) RG. 59 S. 299.
	        
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