§ 60. Freiwillig beobachtete Geschäftsformen. Formlose Nebenabreden. 219
klausel ist unbeurkundet geblieben. Hier ist die Klausel trotzdem gültig, wenn A. nachweist,
daß ihre Nichterwähnung im Vertrage nur auf einem Versehn beruht oder wenn sie zwar
absichtlich geschah, aber doch in der Meinung, daß sie neben dem schriftlichen Vertrage in
Kraft bleiben solle. Gelingt ihm dieser Beweis nicht, so ist anzunehmen, daß Al. schließlich
auf die Klausel verzichtet hat.
3. Die nachträgliche Anderung oder Aufhebung eines Rechtsgeschäfts, für
das ein gewillkürter Formzwang eingeführt ist, unterliegt diesem Formzwang
nicht, selbst wenn die Parteien in dem Rechtsgeschäft ausdrücklich das Gegen-
teil bestimmt haben. Denn die Parteien sind ja stets in der Lage, den von
ihnen willkürlich eingeführten Formzwang außer Geltung zu setzen.
Beispiel. Der Theaterbesitzer A. hat sein Theater durch notariellen Vertrag auf 5 Jahre
an B. verpachtet; in dem Vertrage findet sich als § 20 die Klausel: „Abänderungen dieses
Vertrages sind nur gültig, wenn sie notariell beurkundet sind“; nach Ablauf eines Jahres
setzen A. und B. die Pachtsumme schriftlich um 10% herab. Hier ist die Herabsetzung
gültig, mögen die Parteien, als sie sie vornahmen, den § 20 des Urvertrages vergessen oder
ihn absichtlich unbeachtet gelassen haben; denn durch die bloße Tatsache, daß sie den Vertrag
privatschriftlich geändert haben, haben sie den § 20 für diesen Fall außer Kraft gesetzt.
IV. Zu beachten ist, daß es Formvorschriften nicht bloß für Rechtsgeschäfte, sondern
auch für Rechtshandlungen andrer Art, insbesondre für Anzeigen, die eine Partei der
andern zu machen hat, gibt. Demgemäß unterscheidet das preußische Gesetz über freiwillige
Gerichtsbarkeit Urkunden über Rechtsgeschäfte (Abschn. 4 Titel 2) und andre Urkunden
(Abschn. 4 Titel 3). Doch ist im großen und ganzen anzunehmen, daß für gleichartige
Formen bei Nichtrechtsgeschäften die nämlichen Regeln gelten sollen wie bei Rechtsgeschäften;
verlangt also z. B. ein Gesetz eine „schriftliche“ Anzeige (s. 416 II), so ist zu fordern, daß
die Anzeige von ihrem Urheber eigenhändig unterschrieben wird (s. 126).
b) Der gesetzliche Formzwang im einzelnen.
a) Schriftlichkeit.1
§ 60 a.
I. 1. Die Vorschrift, daß die rechtsgeschäftliche Erklärung einer Partei
schriftlich abzugeben ist, bedeutet regelmäßig: erstens, daß jemand den Text
der Erklärung formlos aufzeichnen, zweitens, daß die Partei diese Aufzeichnung
eigenhändig unterschreiben muß (126 —I).
a) Aufzuzeichnen ist nur der Text der Erklärung, nicht auch der Name
der Partei, der Ort und der Tag der Aufzeichnung usw. Gleichgültig ist
es, ob die Aufzeichnung in deutscher oder in einer fremden Sprache geschieht.
Gleichgültig ist es auch, ob die Aufzeichnung durch die Partei selbst oder die
Gegenpartei oder einen Unbeteiligten, ob sie handschriftlich oder etwa durch
Druck oder Lithographie erfolgt.
b) Dagegen muß die Unterschrift von der Partei selbst eigenhändig und
zwar handschriftlich, also nicht etwa durch einen Faksimilestempel oder mit der
Schreibmaschine, abgegeben werden. Erforderlich ist ferner, daß die Unter-
1) Lehmann, Unterschrift im Tatbestande der schriftl. Willenserklärung (Diss. 04).