232 Buch J. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
Mindestinhalt des Geschäfts gehörige Punkte mit Schweigen übergeht, sie
mögen im Einzelfall noch so wichtig sein; vielmehr wird die Lücke, die durch
eine solche Auslassung in dem Rechtsgeschäft entsteht, im Fall des Bedürfnisses
anderweit ausgefüllt, sei es durch Auslegung des Geschäfts (unten 8 63), sei
es durch Anwendung gewisser gerade für Fälle dieser Art bestimmter „nach-
giebiger“ Gesetzesvorschriften.
b) Der Mindestinhalt eines Geschäfts wird teils durch gesetzliche Regeln,
teils durch das Belieben der Partei bestimmt, die das Geschäft vornimmt.
Letzteres kommt namentlich in der Form vor, daß die Partei bei Abgabe ihrer
rechtsgeschäftlichen Außerung sich eine Bestimmung über irgendeinen mit dem
Geschäft zusammenhängenden Punkt besonders vorbehält; denn solch ein Vor—
behalt wird häufig die Bedeutung haben, daß das Rechtsgeschäft nach dem
Willen der Partei erst dann fertig sein soll, wenn es durch die vorbehaltene
Bestimmung ergänzzt ist.
Beispiel. A. hat in der Zeitung einen Preis von 1000 Mk. für eine neue gute „Ver-
tonung“ von Heines Loreley ausgesetzt und die drei Musiker B., C. und D. zu Preisrichtern
bestellt; E. kommt der Bekanntmachung nach, und seine Komposition wird von den Preis-
richtern als des Preises würdig befunden; A. ist aber keineswegs entzückt von ihr und sucht
nach einem Vorwande, um sich der Pflicht, den Preis an E. auszuzahlen, zu entziehn; er
behauptet deshalb, sein Preisausschreiben habe nicht den erforderlichen Mindestinhalt gehabt
und sei demnach ungültig gewesen; als Lücken des Ausschreibens führt er folgende drei an:
a) er habe keine Frist festgesetzt, binnen deren die Preisarbeiten einzureichen seien; b) er
habe nicht bestimmt, ob die drei Richter ihr Urteil einstimmig oder mit Stimmenmehrheit
zu fällen hätten und wie es zu halten sei, wenn einer von ihnen sein Urteil verweigert
oder verzögert oder vor Abgabe des Urteils stirbt; ch) er habe am Schluß des Ausschreibens
gesagt: die näheren Bestimmungen über die Bedingungen der Preisbewerbung seien in
der Musikalienhandlung von F. einzusehn; in Wirklichkeit habe er es aber ganz vergessen,
solche Bestimmungen zu treffen. I. Hier ist A. im Recht, wenn seine Angabe zu à zu-
tresfend ist. Denn die Festsetzung einer Frist für die Preisbewerbung gehört tatsächlich kraft
Gesetzes (661 1) zum Mindestinhalt eines Preisausschreibens. II. Nicht minder ist aber A.
auch dann im Recht, wenn sich lediglich seine Angaben zu c bewahrheiten. Allerdings wird
der „Erlaß näherer Bestimmungen über die Bedingungen der Preisbewerbung“ vom Gesetz
nicht zum Mindestinhalt eines Preisausschreibens gerechnet. Wohl aber A. hat ihn rechts-
geschäftlich dazu erhoben; denn daß er in seiner Bekanntmachung ausdrücklich auf diese Be-
stimmungen verwiesen hat, soll offenbar bedeuten, daß die Bekanntmachung nur in Verbin-
dungen mit ihnen Geltung haben solle. III. Dagegen ist A. im Unrecht, wenn sich bloß
seine Angaben zu b bestätigen. Denn die Bestimmungen, die er hier vermißt, sind weder
kraft Gesetzes Mindestinhalt des Preisausschreibens, noch hat A. selber sie rechtsgeschäftlich
dazu gemacht. Die Lücke, die sich als Folge der Fortlassung dieser Bestimmungen in A.8
Preisausschreiben bemerklich macht, bewirkt also nicht, daß das Ausschreiben als unfertig
anzusehn ist, sondern ist im Fall des Bedürfnisses anderweit auszufüllen; bedauerlich ist
freilich, daß über die Art der Ausfüllung unter den Gelehrten Streit herrscht.
2. Die zu a entwickelten Regeln gelten gleichmäßig für einseitige Rechts-
geschäfte wie für Verträge. Über ihre Anwendung auf letztere ist noch folgendes
zu bemerken.
a) Verbindet man die Regel zu 1, nach der jede Partei, die ein Rechts-
geschäft vornimmt, ihren Willensentschluß über den Mindestinhalt dieses Ge-
schäfts äußern muß, mit dem früher behandelten Grundsatz, daß bei einem