234 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
unterzeichnen eine darüber schriftlich aufgesetzte Urkunde und gehn zu Tisch; als A. nach der
Mahlzeit auf C. zurückkommen will, erwidert B.: „unser Vertrag ist vor Tisch abge-
schlossen; ich lasse mich auf keine Nachträge dazu ein; den C. übernehme ich nicht.“ Hier
ist der ganze Pachtvertrag ungültig. Denn wenigstens eine Partei, A., hat als Pachtbedingung
eine Vereinbarung bezüglich des C. gefordert, und es ist nicht anzunehmen, daß sie durch
Unterzeichnung des Pachtvertrages dies Verlangen fallen gelassen hat. Also ist eine Einigung
über den Mindestinhalt des Pachtvertrages nicht zustande gekommen.
I) Nicht selten verhandeln die Parteien über die einzelnen Punkte, die den
Mindestinhalt des Vertrages bilden, getrennt und stellen, wenn sie sich über
einen dieser Punkte geeinigt haben, dies Ergebnis durch eine Punktation
schriftlich fest. Doch ist eine derartige Stückeinigung nicht rechtsverbindlich:
jede Partei kann also nach Belieben von ihr abgehn, solange nicht auch über
den letzten Punkt eine Einigung erzielt ist (154 1 Satz 2).
Beispiel. A. will sein Warenlager im ganzen an B. verkaufen; beide stellen deshalb ein
Inventar des Lagers auf, vereinbaren für jeden Posten des Inventars der Reihe nach den
Preis und schreiben die Vereinbarung nieder; als eben der Preis des letzten Postens fest-
gestellt werden soll, verlangt A. nachträglich eine Preiserhöhung für einige bereits erledigte
Posten, was B. als verspätet zurückweist. Hier ist der Verkauf nicht zustande gekommen.
Denn solange nicht auch der letzte Inventarposten erledigt ist, stellt die Vereinbarung zwischen
A. und B. eine bloße Punktation dar, die für beide Parteien unverbindlich ist. A. kann
demnach die bereits mit B. vereinbarten Preissätxe solange beliebig wieder umstoßen, und
der Vertrag bleibt, wenn B. sich hierauf nicht einläßt, unfertig.
d) Es kommt vor, daß die Parteien sich über irgendeinen Punkt, über
den nach einer von ihnen selbst getroffenen Bestimmung eine Vereinbarung
getroffen werden sollte und der deshalb kraft Beliebens der Parteien zum
Mindestinhalt des Vertrages zu rechnen ist, in Wirklichkeit nicht geeinigt haben
und daß sie trotzdem beide irrtümlich annehmen, der Vertrag sei zustande ge-
kommen. Alsdann soll trotz der fehlenden Einigung der Parteien der Vertrag
Geltung haben, sofern anzunehmen ist, daß er auch ohne eine Bestimmung über
diesen Punkt geschlossen sein würde (155). Der Punkt wird also in diesem
Fall aus dem Mindestinhalt des Vertrages nachträglich ausgeschieden.
Beispiele. I. Die Schreiner A. und B. wollen eine gemeinsame Schreinerei gründen;
ein jeder setzt seine Bedingungen schriftlich auf; dann treffen sie sich, jeder liest die Be-
dingungen des andern durch und beide erklären schließlich: „also sind wir einig; die Sache
ist abgemacht“; später stellt sich heraus, daß als Termin für die Gewinnverteilung in A.8
Bedingungen der März, in B.s Bedingungen der Mai angegeben war. Hier ist der Ver-
trag zustande gekommen, obschon die Parteien sich über einen Punkt, über den beide eine
Vereinbarung treffen wollten, tatsächlich nicht geeinigt haben; denn beide haben diesen
Differenzpunkt irrtümlich übersehn und angenommen, der Vertrag sei geschlossen; auch ist
anzunehmen, daß sie den Vertrag am Ende auch ohne eine Vereinbarung über den Punkt
abgeschlossen haben würden. Die Lücke ist dadurch auszufüllen, daß die Gewinnverteilung
an dem früheren der von den Parteien vorgeschlagenen Termin, also im März, vorzunehmen
ist; denn dieser Termin kommt dem vom Gesetz bestimmten (Gewinnverteilung gleich nach
Schluß des Geschäftsjahrs (s. 721 III) am nächsten. II. C. will den D. als Diener an-
stellen und verhandelt mit ihm mündlich; dabei mißversteht er den D. dahin, daß dieser ein
Monatsgehalt von 50 Mk. fordere, und bewilligt es ihm; umgekehrt mißversteht D. den C.
dahin, daß dieser ihm nur ein Gehalt von 40 Mk. biete, und akzeptiert dies Gebot; so
glauben beide einig geworden zu sein, während sie sich in Wirklichkeit nicht geeinigt haben.
Es liegt nahe, hier dieselbe Enischeidung zu fällen wie zu 1 und den Vertrag auf der Basis