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des niedrigeren der von den beiden Parteien vorgeschlagenen Lohnsätze zustande kommen zu
lassen. Doch wäre das irrig; denn daß der geringere Lohnsatz irgendeiner Gesetzesvorschrift
mehr entspräche als der höhere, läßt sich nicht behaupten, und ebensowenig ist ein andrer
Grund erfindlich, aus dem bei der Differenz zwischen C. und D. gerade der letztere nach-
zugeben hätte. Man erwidere nicht, daß in dem maius das winus stecke und daß also,
wenn C. einen Lohnsatz von 50 Mk. bewilligte, er sich damit stillschweigend auch mit dem
von D. geforderten Satz von 40 Mk. einverstanden erklärt habe; denn man kann ebensogut
auch umgekehrt sagen: wenn D. einen Lohnsatz von 40 annahm, hat er damit stillschweigend
auch den von C. angebotenen Satz von 50 angenommen. Das Ergebnis ist also über-
raschenderweise: der Vertragsschluß zwischen C. und D. ist gescheitert.1
e) Hat der Vertrag eine Zweckzuwendung zum Gegenstande (oben S. 162),
so gehört der Zweck, dem die Zuwendung dient, zum Mindestinhalt des Ver-
trages; die Parteien müssen sich also auch über ihn einigen. Dagegen ist bei
Verträgen, die auf eine abstrakte Zuwendung gehn, eine Einigung der Parteien
über deren Zweck nicht erforderlich.
Beispiele. I. A. bittet seinen Schwiegervater B. brieflich um ein Geschenk von 1000 Mk.;
dieser schickt ihm denn auch einen Tausendmarkschein mit der Post, schreibt aber dabei:
umeine Mittel erlauben es mir nicht, Dir soviel Geld zu schenken; doch will ich Dir das
Geld auf 5 Jahr zinslos leihen“; A. erwidert darauf: „leider erlauben es mir meine Grund-
sätze nicht, Geld zu borgen; ich nehme die 1000 Mk. deshalb, wie erbeten, als Geschenk an“;
B. beantwortet diese Mitteilung mit den Worten: „es bleibt bei dem, was ich gesagt habe“.
Hier ist es selbstverständlich, daß zwischen A. und B. mangels Einigung der Parteien weder
ein Schenkungs= noch ein Darlehnsvertrag zustande gekommen ist. Fraglich ist dagegen, ob
nicht trotzdem A. formell Eigentümer des ihm von B. gesendeten Tausendmarkscheins ge-
worden ist; denn A. hätte das Eigentum des Scheins ebensogut erworben, wenn der von
ihm vorgeschlagene Schenkungs-, wie dann, wenn der von B. vorgeschlagene Darlehnsvertrag
zustande gekommen wäre; man könnte also denken, daß die Parteien zwar nicht über die
Schenkung und auch nicht über das Darlehn, aber doch über das beiden gemeinsame Moment
der Übereignung des Scheins von B. auf A. einig geworden seien. Indes ist zu bedenken,
daß B. mitnichten die Absicht hatte, den A. schlechthin zum Eigentümer des Scheins zu
machen, sondern daß er den Schein dem A. nur darlehnsweise, d. h. nur zu dem Zweck, den
A. zu seinem Darlehnsschuldner zu machen, übereignet hat. Sonach war die Übereignung
des Scheins eine Zweckzuwendung und ist, da die Parteien sich über ihren Zweck nicht ge-
einigt haben, nicht zustande gekommen. B. ist also Eigentümer des Scheins geblieben.?
II. C. hat in seinem Testament u. a. bestimmt: „D. erhält 10000 Mk.“; C.##Testaments-
vollstrecker E. will darauf nach C.s Tode die 10000 Mk. an D. als ein Vermächtnis C.S
auszahlen; D. behauptet dagegen, C. sei ihm die 10000 Mk. infolge verschiedner Spekula-
tionsgeschäfte schuldig geworden, und will die Zahlung, schon um nicht die hohe Vermächt-
nissteuer entrichten zu müssen, lediglich als Erfüllung dieser Schuld annehmen; schließlich
einigen sich E. und D. dahin, daß D. jedenfalls das Geld nehmen und Eigentum daran
erwerben solle; welchem Zweck die Zahlung diene, solle einstweilen dahingestellt bleiben.
Hier ist der Übereignungsvertrag zustande gekommen; denn er ist in diesem Fall auf eine
abstrakte Zuwendung gerichtet; es schadet also nichts, daß die Parteien sich über den Zweck
der Zuwendung nicht einig geworden sind.
II. Unter den Rechtsgeschäften pflegt man eine große Anzahl von Ge-
schäftstypen zu unterscheiden, die dadurch ausgezeichnet sind, daß für einen jeden
von ihnen mehr oder minder wichtige gesetzliche Sondervorschriften gelten, und
1) Abw. Planck zu § 155.
2) Streitig. Siehe unten im Sachenrecht.