236 Buch J. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte.
pflegt jedes konkrete Rechtsgeschäft einem derartigen Typ unterzuordnen.? Hier-
mit hängt es zusammen, wenn man die einzelnen Bestandteile eines konkreten
Rechtsgeschäfts in folgende drei Gruppen einteilt.
1. Essentialia negotii sind alle in dem Geschäft getroffenen Be-
stimmungen, die für den Typ, dem das Geschäft untergeordnet wird, wesentlich
sind. Fehlen sie, so ist das Geschäft entweder ganz ungültig, oder es ist zwar
gültig, gehört aber einem andern Typ an.
2. Naturalia negotüt sind alle in dem Geschäft getroffenen Bestim-
mungen, die zwar für den Typ, dem das Geschäft untergeordnet wird, nicht
wesentlich sind, die aber doch der vom Gesetz bevorzugten Musterform dieses
Typs entsprechen. Fehlen sie, so bleibt dies ohne Einfluß auf die Wirksamkeit
des Geschäfts; denn an ihre Stelle treten gesetzliche Regeln, die mit ihnen
inhaltlich übereinstimmen; sie sind also, genau genommen, überflüssig.
3. Accidentalia negotü sind alle in dem Geschäft getroffenen Be-
stimmungen, die für den Typ, dem das Geschäft untergeordnet wird, nicht nur
nicht wesentlich sind, sondern sogar von der gesetzlich bevorzugten Musterform
des Typs abweichen, die aber doch mit dem Wesen des Typs verträglich sind.
Fehlen sie, so treten an ihre Stelle gesetzliche Regeln, die nicht mit ihnen,
sondern mit den naturalia negotüt inhaltlich übereinstimmen.
Beispiele. I. A. hat eine Urkunde errichtet, in der es heißt: „nach meinem Tode fällt
mein Vermögen an meine Freunde B. und C. zu gleichen Teilen; von meinem Nachlaß
soll B. das Haus, C. die Hypotheken übernehmen.“ Hier ist diese Anordnung A.3 dem Ge-
schäftstyp „Erbeseinsetzung“ zuzuordnen. Und zwar sind die ersten Worte bis „B. und C.“
essentialia, die Worte „zu gleichen Teilen“ naturalia, die Schlußworte accidentalia negotüi.
1. Streicht man die ersten Worte, so stellt der Überrest, soweit er überhaupt noch verständlich
ist, jedenfalls keine Erbeseinsetzung, sondern höchstens ein Vermächtnis des Hauses an B.,
der Hypotheken an C. dar. 2. Streicht man die Worte „zu gleichen Teilen“, so ist das ohne
Belang; denn der Überrest bleibt eine gültige Erbeseinsetzung, und an die Stelle der ge-
strichenen Bestimmung treten gesetzliche Vorschriften, die mit ihr gleichen Inhalts sind (2091).
3. Streicht man die Schlußworte, so bleibt der Überrest wie zu 2 eine gültige Erbesein-
setzung; an die Stelle der gestrichenen Worte treten aber gesetzliche Vorschriften andern
Inhalts; das Haus und die Hypotheken fallen nämlich alsdann an B. und C. gemeinsam.
II. Derselbe Fall; nur hat A. noch weiter bestimmt: „für die etwaigen Nachlaßschulden ist
einzig und allein B. haftbar.“ Diese Klausel ist, wenn man A.s Anordnung auch in diesem
Fall dem Geschäftstyp „Erbeseinsetzung“ unterstellen will, weder ein essentiale noch ein natu-
rale noch ein accidentale negotii; denn sie ist mit dem Wesen einer Erbeseinsetzung schlecht-
hin unverträglich (1967). Es bleibt also nichts übrig, als entweder die Klausel, weil dem
Wesen einer Erbeseinsetzung widersprechend, für nichtig zu erklären (wobei dann weiter zu
prüfen wäre, ob nicht aus der Nichtigkeit der einen Klausel die Nichtigkeit des ganzen
Testaments des A., wenigstens soweit es den B. angeht, zu folgern ist (139)) oder aber
die Voraussetzung, daß A.s Anordnung in Ansehung des B. dem Typ „Erbeseinsetzung“
unterzuordnen sei, fallen zu lassen und nach einem Typ zu suchen, der sich für A.S Anord-
nung als passender erweist. Welche dieser beiden Methoden den Vorzug verdient, mag an
dieser Stelle unentschieden bleiben.
3) Landsberg S. 182.