260 Buch I. Abschnitt 6. Rechtsgeschäfte.
Wirkungen eines Rechtsgeschäfts nur ausgelöscht werden sollen, sehr wohl berücksichtigt
werden. So kann z. B. ein Vertrag, der nach Gesetzesvorschrift gerichtlicher oder notarieller
Form bedarf, auf Grund mündlicher Nebenabreden als Scheinvertrag charakterisiert werden;
ebenso kann die scherzhafte Absicht einer Erklärung durch eine Bemerkung bewiesen werden,
die der Urheber der Erklärung nicht gegenüber dem Empfänger, sondern gegenüber einem
unbeteiligten Dritten abgegeben hat.
7. Eine Scheinäußerung, die von der Gegenpartei nach der Absicht des
Außernden ernst genommen werden sollte und auch wirklich ernst genommen
worden ist, also nicht unter eine der drei oben zu 1 genannten Kategorieen
fällt, ist vollgültig (116 Satz 1). Der Urheber kann sich somit in diesem
Fall nicht darauf berufen, daß er sich durch eine „Mentalreservation“
vorbehalten habe, das, was er geäußert, in Wahrheit nicht zu wollen; ebenso-
wenig kann aber auch die Gegenpartei, wenn sie später von dem Vorbehalt
erfährt, das Rechtsgeschäft als nichtig verwerfen.
Beispiel. Als Beitrag für einen neuzugründenden Wohltätigkeitsverein zeichnet A. eine
sehr große Summe und zahlt sie auch tatsächlich ein; dabei erzählt er aber seiner Frau, daß
er das nur zum Schein tue; die für den Verein im ganzen erforderliche Summe käme doch
nicht zusammen; so sei die Zeichnung eine ungefährliche Prahlerei; im schlimmsten Fall
würde er schon einen Vorwand finden, um die Zeichnung zurückzuziehn. Hier muß A.,
wenn dank seinem guten Beispiel die erforderliche Summe schließlich doch aufgebracht wird,
bei seiner Zeichnung bleiben.
8. a) Von den Scheingeschäften sind die fiduziarischen Verträge zu
scheiden: Verträge, die die Parteien zwar ernstlich abschließen, jedoch mit der
Abrede, daß die eine Partei (der „Fiduziar“) s von den ihr vertragsmäßig
verliehenen Rechten nur beschränkt oder gar nicht Gebrauch machen soll. Ein
solcher Vertrag ist, weil ernstlich vorgenommen, vollgültig. Es ist auch keines-
wegs sinnlos, jemandem ein Recht zu geben und ihm doch zugleich zu ver-
bieten, von dem Recht Gebrauch zu machen; denn, wenn die Verfügungen, die
der Fiduziar tatsächlich trifft, letzteres Verbot verletzen, sind sie zwar dem Ver-
leiher des Rechts gegenüber unerlaubt und verpflichten den Fiduziar zu
Schadensersatz; dagegen sind sie dritten Personen gegenüber gültig. Und
gerade auf diese Unterscheidung, also darauf, daß dritte Personen keinen Anlaß
haben, das Recht des Fiduziars als beschränkt oder unvollkommen zu be-
mängeln, legen die Vertragsparteien oft großen Wert; gerade deshalb wird der
Fiduziar mit größerer Rechtsmacht ausgestattet, als es eigentlich dem zwischen
den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis entspricht, damit er Dritten gegen-
über freier und sicherer auftreten kann.
b) Noch anders ist der „rechtsgeschäftliche Schleichweg““": hier wollen die
Parteien, weil das Gesetz ein bestimmtes Rechtsgeschäft für ungültig erklärt,
dessen Wirkungen annähernd durch ein Rechtsgeschäft andrer Art, also auf
einem Umwege, erreichen. Letzteres Geschäft ist durchaus ernstlich abgeschlossen;
3) Goltz, das fiduziarische Rechtsgeschäft (01).
4) Regelsberger in Endemanns Handb. d. Handelsrechts 2 S. 409; RG. 59 S. 146,
62 S. 128, 63 S. 145.