8 65. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung. 271
10 Kilo; das Rad wiegt aber 11 Kilo. IV. E. in M. verkauft dem F. in N. ein in M.
belegenes Haus, indem er dem F. vorschwindelt, dieser sei nach M. versetzt. Hier ist der
Irrtum im Fall I unerheblich, in den Fällen IIIV erheblich.
b) Der Irrtum muß durch „arglistige“ Täuschung hervorgerufen sein.
Es genügt also nicht, daß der Urheber der Täuschung Angaben macht, deren
Unrichtigkeit er bei einiger Uberlegung hätte erkennen können, sondern er muß
seine Angaben geradezu gegen besseres Wissen gemacht haben; ja selbst eine An-
gabe wider besseres Wissen genügt nicht, wenn sie harmlos abgegeben wurde.
Beispiel. Eine arglistige Täuschung liegt nicht vor, wenn ein Hausverkäufer die Größe
seines Grundstücks statt wahrheitsgemäß auf 18 Ar auf 60 Ar angibt, weil er törichter-
weise selber glaubt, das Grundstück sei so groß; ebensowenig, wenn er die Größe wider
besseres Wissen auf 20 Ar angibt, sofern er hierin lediglich eine statthafte Abrundung erblickt.
c) Der Irrtum muß durch die Täuschung „hervorgerufen“ sein; es
genügt also nicht, daß eine Partei von selber auf ihre irrige Vorstellung ge-
kommen ist und nun die Gegenpartei den Irrtum erkennt und zu ihrem
Vorteil ausnutzt. Anders nur dann, wenn im Einzelfall die irrende Partei
berechtigt ist, von der Gegenpartei eine Aufklärung ihres Irrtums zu erwarten;
denn alsdann wird sie schon dadurch arglistig getäuscht, daß die Gegenpartei
die Aufklärung des Irrtums wissentlich unterläßt.?
Beispiele. I. A. hat zu einem Festspiel ein teures Theaterbillet gekauft, weil er den
Platz, auf den das Billet lautet, für sehr gut hielt; als er hört, daß der Platz in Wirklich-
keit sehr schlecht ist, sucht er das Billet wieder los zu werden und verkauft es auch wirklich
unter dem Vorwande, er müsse verreisen, an B.;: B. sagt beim Kauf ausdrücklich: „das Billet
nehme ich gern, es ist ja sehr gut“; A. hütet sich aber, etwas darauf zu entgegnen. II. In
M. soll eine Markthalle gebaut werden; die Häuserpreise in der betreffenden Gegend gehn
deshalb in die Höhe; auch C. kauft in der Gegend ein Haus zu sehr hohem Preise; sein
Verkäufer D. ist, wie C. weiß, Vorsitzender des mit dem Markthallenbau betrauten Aus-
schusses; am Tage vor dem Kauf hat dieser Ausschuß plöslich beschlossen, den Markthallenbau
endgültig aufzugeben; D. verschweigt dies dem C. Hier ist zwar nicht zu 1 der Irrtum
B.#s, wohl aber zu II der Irrtum C.s durch eine Täuschung der Gegenpartei hervorgerufen.
4) Wenn die anzufechtende Willensäußerung empfangsbedürftig war und
gegenüber der Gegenpartei abgegeben wurde, muß die Täuschung gerade von
der Gegenpartei ausgegangen oder, falls sie von einem andern ausging, ihr
wenigstens bekannt oder erkennbar gewesen sein; doch genügt es bei Rechts-
geschäften, aus denen ein Dritter unmittelbar ein Recht erwirbt, namentlich
bei Verträgen zugunsten eines Dritten, wenn die Täuschung auch nur diesem
Dritten zur Zeit seines Erwerbes bekannt oder erkennbar war. Bei empfangs-
bedürftigen Außerungen, die gegenüber einer Behörde abgegeben werden, sowie
bei nicht empfangsbedürftigen Außerungen genügt jede Täuschung, mag sie
auch von einem Unbeteiligten ausgegangen sein.
Beispiele. I. A. erläßt dem B. eine Darlehnsschuld, weil ihm vorgelogen wird, B.
sei erblindet. Hier ist der Erlaß unanfechtbar, wenn die Lüge von der Ehefrau des B. ohne
dessen Vorwissen vorgebracht war. II. C. wirft eine Goldmünze fort, weil D. ihm vor-
2) Siehe Klein, Anzeigepflicht im Schuldrecht (08); RE. 62 S. 151.
3) Abw. Hellwig, Verträge S. 286.