Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 65. Anfechtung wegen Bedrohung. 273 
an die Armen noch die an sich selbst fordern; daß er aber zwecks Erzwingung beider 
Schenkungen den F. in der vorgedachten Weise bedrohte, war vielleicht harmlos, soweit die 
Drohung den Armen dienen sollte, verstieß dagegen sicher wider die guten Sitten, soweit 
sie dem eignen Vorteil des E. gewidmet war. 
c) Die Drohung braucht — anders als die arglistige Täuschung — nicht 
von der Gegenpartei ausgegangen oder ihr bekannt oder erkennbar gewesen 
zu sein. 
Beispiel. A. erläßt dem B. eine Darlehnsschuld, weil B.s Ehefrau ihm gedroht hat, 
sie würde sich andernfalls das Leben nehmen. Anfechtbar, auch wenn B. von dieser Drohung 
nichts gewußt hat. 
2. Das Anfechtungsrecht steht nur dem Bedrohten zu. 
3. Es ist zeitlich ebenso begrenzt wie bei arglistiger Täuschung (124). 
Der Gegner muß also, auch wenn er von der Drohung erst nachträglich 
erfährt, ein volles Jahr auf die Entschließungen des Anfechtungsberechtigten 
warten. 
4. Es gilt auch bei Fahrlässigkeit des Bedrohten, also namentlich auch 
dann, wenn dieser die Ungefährlichkeit der Bedrohung leicht hätte bemerken 
können. 
5. Daß der Bedrohte, wenn er anficht, den Urheber der Drohungen nicht 
zu entschädigen braucht, ist selbstverständlich. Aber auch dann, wenn die 
Drohungen von einer andern Person als der Gegenpartei ausgegangen und 
der Gegenpartei nicht erkennbar gewesen sind, ist der Bedrohte zum Schadens- 
ersatz nicht verpflichtet; dies gilt sogar dann, wenn der Bedrohte den Drohungen 
sich nur aus übertriebener Angstlichkeit gefügt hat! 
c) Besondre Fälle. 
§ 65a. 
I. Bei manchen Rechtsgeschäften ist der Einfluß eines Willensmangels 
der Partei im Gesetz abweichend von den Vorschriften der beiden vorher- 
gehenden Paragraphen geregelt. Namentlich gilt dies für die Eheschließung 
und die Verfügungen von Todeswegen. Hiervon kann aber erst später 
die Rede sein. 
II. Zweifelhaft ist, ob nicht auch bei gewissen andern Rechtsge- 
schäften, für die das Gesetz keine Sonderregeln aufstellt, Ausnahmen von 
den Vorschriften der beiden vorhergehenden Paragraphen geboten sind. Vor 
allem gilt dies für die Ausstellung von Inhaber= und Orderpapieren und 
für den Beitritt zu einem Verein. Auch hierüber kann erst später gesprochen 
werden. 
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. I. 18
	        
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