Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

280 Buch I. Abschnitt 5. Rechtsgeschäfte. 
oder wenn der Vollmachtnehmer die ihm vom Vollmachtgeber eingehändigte 
Vollmachtsurkunde einem Dritten vorlegt, braucht weder jener noch dieser da- 
mit irgend eine Rechtswirkung hervorbringen zu wollen; müßte man doch 
andernfalls auch darin ein Rechtsgeschäft sehn, daß jemand einem Dritten er- 
zählt, er habe gestern ein Haus gekauft, oder daß er diesen Kauf öffentlich 
bekannt macht oder daß er das gekaufte Haus jemandem zeigt. Trotzdem ist 
die Vollmachtsanzeige um ihrer Wirkungen willen fast in allen Stücken wie 
ein Rechtsgeschäft zu behandeln: sie ist nichtig, wenn sie nicht ernst gemeint 
ist und in der Erwartung vorgenommen wird, der Mangel der Ernstlichkeit 
werde nicht verkannt werden, sie kann wegen Irrtums angefochten werden usw. 
(s. oben S. 154 2 b). 
Beispiele. I. 1. a) A. hat dem Agenten B. Vollmacht erteilt, sein Grundstück x zu ver- 
kaufen; in der Zeitung hat er aber bekannt gemacht, daß er den B. zum Verkauf des 
Grundstücks y bevollmächtigt habe; endlich hat er dem C. brieflich mitgeteilt, er habe den 
B. mit Vollmacht zum Verkauf des Grundstücks z versehn; nun begibt sich C. zu B. und 
erbietet sich, alle drei Grundstücke zu kaufen; B. nimmt alle drei Gebote an. Hier ist der 
Verkauf der drei Grundstücke für A. verbindlich; denn B. hat von ihm dazu gültige Voll- 
macht empfangen, in Ansehung von x durch Vollmachtserteilung, in Ansehung von y und 2 
durch Vollmachtsanzeige. b) Bei dieser Entscheidung muß es auch dann bleiben, wenn B. 
dem C. auf dessen Angebot ausdrücklich erklärt hat, A. habe ihm Vollmacht nur zum Ver- 
kauf von x erteilt, die öffentliche Bekanntmachung A.s und A.s Brief an C. müsse auf 
einem Irrtum beruhn. C. kann also auch in diesem Fall sein Angebot an B. als den Ver- 
treter A.s mit Bezug auf alle drei Grundstücke aufrecht halten, und B. kann es im Namen 
A.3s rechtsgültig annehmen. Und zwar darf man deshalb weder den B. noch den C. der 
Arglist zeihn. Denn es ist immerhin möglich, daß A. die dem B. wegen # erteilte Ver- 
kaufsvollmacht durch die öffentliche Bekanntmachung und den Brief an C. absichtlich auf die 
Grundstücke y und 2z ausgedehnt und es nur aus Versehn unterlassen hat, dem B. davon 
Anzeige zu machen. c) Stellt sich später heraus, daß B.Ss anfängliche Auffassung der Sach- 
lage begründet war und die Bezugnahme der öffentlichen Bekanntmachung A.# auf y nur 
einen Druck-, die Bezugnahme des Briefs an C. auf 2 nur einen Schreibfehler darstellte, 
so bleibt der Verkauf auch jetzt noch in vollem Umfang gültig; A. kann aber seine Voll- 
machtsanzeige wegen unrichtlicher übermittlung bzw. wegen Irrtums anfechten; tut er das, 
so wird der Verkauf von y und 2 (und im Hinblick auf BGB. 139 vielleicht auch der Ver- 
kauf von 1) für ihn unverbindlich; ob er in diesem Fall dem C. Schadensersatz leisten muß, 
hängt von den oben S. 265, 258 entwickelten Regeln ab. 2. Derselbe Fall wie zu 1; nur ist 
als Käufer der drei Grundstücke nicht C., sondern D. aufgetreten, dem C. den an ihn ge- 
richteten Brief A.s gezeigt hatte. Hier ist der Verkauf von 2 für A. von vornherein un- 
verbindlich. Dagegen ist die Entscheidung in Ansehung von 1 und y dieselbe wie zu 1, es 
sei denn, daß die Ungültigkeit des Verkaufs von z im Hinblick auf BGB. 139 auch den 
Verkauf von x und y entkräftet. II. F. borgt namens des G. von H. eine Geldsumme 
unter Vorlegung einer Urkunde, laut deren G. ihn zu der Aufnahme des Darlehns bevoll- 
mächtigt; nachträglich stellt sich aber heraus, daß F. die Urkunde gefälscht oder dem G. ent- 
wendet hat oder daß G. sich im Zustande von Bewußtlosigkeit befand, als er sie dem F. ein- 
händigte. Hier ist das Darlehn für G. unverbindlich, selbst wenn H. von der Fälschung 
oder dem Diebstahl F.s oder der Bewußtlosigkeit G.s nichts gewußt hat und nichts hat 
wissen können. 
Außer den drei eben besprochenen Vollmachtsanzeigen steht einer Vollmachtserteilung 
u. a. gleich die Vorlegung einer von dem Vollmachtgeber ausgestellten Quittung (370). Doch 
gilt hier die Besonderheit, daß diese Quittung auch dann als Vollmacht gilt, wenn der Voll- 
machtgeber sie dem Vollmachtnehmer nicht eingehändigt, sondern dieser sie gestohlen hat.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.