867. Gesetzl. Vertretungsmacht. Voraussetzungen d. Geschäftsabschlusses durch Vertreter. 289
BGB. (278 usw). Ob sie auch für andre Gesetze, insbesondre für die ZPO., gilt, sei hier
dahingestellt.
3. Eigenartig ist die Vertretungsmacht des Vorstandes einer juristischen
Person und die eines Testamentsvollstreckers. Von beiden wird erst später
die Rede sein.
II. 1. Das kraft Vertretungsmacht vorgenommene Rechtsgeschäft soll nicht
für den Vertreter, sondern für den Vertretenen wirksam werden; insofern liegt
sein Schwerpunkt in der Person des Vertretenen. Andrerseits wird es aktiv
vorgenommen nicht vom Vertretenen, sondern vom Vertreter; insofern liegt sein
Schwerpunkt in der Person des Vertreters; nur wenn der Vertretene die Ver-
tretungsmacht durch ein Rechtsgeschäft oder einen rechtsgeschäftsähnlichen Akt
geschaffen hat und den Vertreter wegen des Geschäftsabschlusses mit Aufträgen
oder Anweisungen versieht, ist auch er — zusammen mit dem Vertreter — bei
der aktiven Vornahme des Rechtsgeschäfts beteiligt. Hiernach hat das kraft
Vertretungsmacht abgeschlossene Rechtsgeschäft einen zwiespältigen Charakter,
und es ist begreiflich, daß das Gesetz da, wo es auf die Eigenschaften oder
das Verhalten der bei dem Geschäft beteiligten Personen ankommt, bald allein
auf die Person des Vertretenen sehn wird, bald allein auf die Person des
Vertreters, bald auf alle beide Personen.
a) Geschäftsfähigkeit wird nur auf seiten des Vertreters, nicht auch auf
seiten des Vertretenen gefordert. Doch genügt es, wenn der Vertreter
nicht ganz geschäftsunfähig ist; daß seine Geschäftsfähigkeit eine beschränkte ist,
schadet nichts.
Beispiele. I. A. und B., die beide geistesschwach, aber nicht entmündigt sind, haben
sich gegenseitig Generalvollmacht gegeben, und zwar mit Einschluß der Veräußerung und
Belastung von Grundstücken; nun steigert sich aber A.3s Geistesschwäche zur Geisteskrankheit,
die jede sog. Willensfreiheit ausschließt; trotzdem belastet A. das Haus des B., B. das Haus
des A. mit einer Hypothek. Hier ist die erste Hypothek nichtig, die zweite vollgültig; der
Vormund des A. mag sich also beeilen, die Vollmacht B.s baldmöglich zu widerrufen.
Anders wäre natürlich zu entscheiden, wenn die von A. erteilte Vollmacht durch dessen nach-
träglich auftretende Geisteskrankheit von selbst hinfällig würde; das ist aber im Zweisel nicht
anzunehmen (s. oben S. 282). II. Derselbe Fall; nur war B., als A. ihm die Vollmacht
gab, bereits wegen Geistesschwäche entmündigt. Hier ist dieselbe Entscheidung geboten wie
zu 1; denn eine Vollmacht, die ein nicht entmündigter Geistesschwacher einem emmündigten
Geistesschwachen erteilt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Tragweite der Regel zu 1 wird übrigens erheblich abgeschwächt, wenn es sich
um einen Fall gesetzlicher Vertretungsmacht handelt; denn diese ruht oder erlischt, wenn der
gesetzliche Vertreter beschränkt geschäftsfähig ist; eine Ausnahme gilt z. B., wenn das Vor-
mundschaftsgericht versehentlich einen Minderjährigen zum Vormunde oder Pfleger bestellt
hat (s. 1676 II, 1686, 1780, 1781, 1885, 1886 usw.).
b) Verfügungsfähigkeit wird nur auf seiten des Vertretenen gefordert.
c) Ob besondre Eigenschaften einer Partei, die nach irgendeiner Rechts-
regel zum gesetzlichen Tatbestande einer Rechtswirkung gehören, in der Person
des Vertretenen oder des Vertreters oder beider vorhanden sein müssen, läßt
sich nur für jede dieser Regeln speziell entscheiden.
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. 1. 19