Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 74c. Hemmung der Verjährung. 323 
Ware geliefert hat, sondern mit dem Schluß des Jahres, in dem er die Ware zu liefern hatte, 
beginnt (vorausgesetzt natürlich. daß der Käufer sie Zug um Zug gegen Lieferung oder doch 
in dem Jahr der Lieferung zu bezahlen hatte); denn andernfalls könnte der Kaufmann da- 
durch, daß er die Ende Dezember zu liefernde Ware willkürlich erst Anfang Januar liefert, 
die Verjährung um ein volles Jahr verlängern.X 
b) Die Verjährung ist ferner gehemmt: zwischen Ehegatten, solange die 
Ehe besteht, zwischen Eltern und Kindern, solange die Kinder minderjährig 
sind, zwischen Vormund und Mündel (204): das Gesetz will zwischen diesen 
Personen Rechtsstreitigkeiten möglichst vermeiden auf die Gefahr hin, daß durch 
die Verschleppung solcher Streitigkeiten die Verjährung zwischen diesen Per- 
sonen verzögert wird. 
c) Die Verjährung ist ferner gehemmt, solange der Berechtigte durch 
Stillstand der Rechtspflege oder durch höhere Gewalt (oben S. 310) an der 
Rechtsverfolgung gehindert ist; doch gilt dies Hemmnis nur, wenn es inner- 
halb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist eintritt oder fortdauert (203). 
d) Auch die beiden folgenden Hemmnisse gelten nur, wenn sie in den 
letzten sechs Monaten der Verjährungsfrist eintreten oder fortdauern: 
o) der Berechtigte ist geschäftsunfähig oder beschränkt geschäftsfähig und 
besitzt keinen zu seiner Vertretung berechtigten Gewalthaber (2060); 
5m der Anspruch gehört zu einem Nachlaß oder ist gegen einen Nachlaß 
gerichtet, und es fehlt an einer zur Führung von Nachlaßprozessen aktiv und 
passiv legitimierten Person (207). 
e) Ein letztes Hemmnis gilt sogar nur, wenn es am letzten Tage der 
Frist vorliegt: es ist der Umstand, daß dieser letzte Tag ein Sonntag oder 
allgemeiner Feiertag ist (193). 
2. a) Die Wirkung der Hemmung ist in den drei ersten und dem letzten 
Fall die, daß der Zeitraum, während dessen das Hemmnis besteht, in die Ver- 
jährungszeit nicht eingerechnet wird; es wird also, nachdem das Hemmnis fort- 
gefallen ist, einfach der Teil der Verjährungsfrist, der nicht bereits vor Ein- 
tritt des Hemmnisses abgelaufen war, weiter gerechnet. 
b) Anders bei dem vierten Hemmnis: von dessen Fortfall ab wird eine 
neue feste Verjährungsfrist von sechs Monaten gerechnet. Nur wenn die volle 
Verjährungsfrist weniger als sechs Monate beträgt, tritt an die Stelle der 
sechs Monate diese kürzere volle Frist (206, 207). 
Beispiele. I. Der Geselle A. hat eine Lohnforderung gegen seinen Meister B., die 01 
fällig geworden ist und demnach am 31. Dezember 03 verjähren würde; er ist aber im Sep- 
tember 03 auf einer Jagd, bei der er als Treiber fungierte, ohne sein Verschulden ange- 
schossen worden und war infolgedessen vom 20.—29. September zu jeder geschäftlichen Tätig- 
keit unvermögend. Hier ist der Lauf der Verjährung durch höhere Gewalt 10 Tage lang 
gehemmt. Die Verjährung läuft deshalb erst am 10. Januar 04 ab. 2. Derselbe Fall; nur 
spielte der Vorfall im Juni 03. Hier endigt die Verjährung, wie gewöhnlich, am 31. De- 
zember O03. II. Derselbe Fall wie zu 1; nur bestand A.3 Unfall darin, daß er 03 wegen 
Geistesschwäche entmündigt wurde und, da sein erster Vormund am 31. Dezember vormittags 
1) RG. 62 S. 179. 
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