8 76. Enteignung. 333
5. Wer von der Enteignung betroffen ist, hat regelmäßig ein Privatrecht
auf vollen Schadensersatz (s. unten § 166).
III. Privatrechtlich wichtig sind ferner die Dispensationen, d. h.
staatliche Verfügungen, die einer Partei, die bestimmte Rechtswirkungen erstrebt,
die Beobachtung einer vom Gesetz regelmäßig vorgeschriebenen Bedingung aus-
nahmsweise erlassen. Dispensationen sind nur zulässig, wenn das Gesetz sie
besonders erlaubt.
Beispiel. Frauen dürfen erst heiraten, wenn sie sechzehn Jahr alt sind; es ist aber
Dispensation statthaft (1303).
IV. Die Frage, ob ein Privileg als ungültig angefochten und ob es
widerrufen werden kann, gehört dem Staatsrecht an und ist hier nicht weiter
zu verfolgen.
VI. Rückblick auf das bisherige Recht.
8 76a.
I. 1. Das bisherige Recht hat den Begriff des Rechtsgeschäfts ebenso be-
stimmt und auch die einzelnen Arten der Rechtsgeschäfte, sowohl der gültigen
wie der ungültigen, ebenso unterschieden wie das bürgerliche Gesetzbuch. Nur
die Terminologie war bisher zum Teil eine andre: namentlich fehlte für die
„Verfügungen“ des bürgerlichen Gesetzbuchs eine gemeinsame Bezeichnung.
2. a) Die Regel, daß die Rechtsgeschäfte, die ein Minderjähriger eigen-
mächtig vornimmt, „hinken“", d. h. daß sie von dem Gewalthaber des Minder-
jährigen beliebig anerkannt oder verworfen werden können, während sie für
die Gegenpartei bindend sind, war im Mittelalter allgemein gültig: sie er-
streckte sich also nicht bloß auf die Rechtsgeschäfte eines ältern Minderjährigen,
sondern auch auf die eines Kindes unter sieben Jahren, nicht bloß auf Ver-
träge, sondern auch auf einseitige Rechtsgeschäfte, nicht bloß auf Geschäfte, die
mit Lasten für den Minderjährigen verknüpft, sondern auch auf solche, die
ihm ausschließlich vorteilhaft waren. Hatte der Minderjährige die Volljährig-
keit erreicht, so wurden jene Rechtsgeschäfte nunmehr auch für ihn verbindlich,
es sei denn, daß er sie binnen bestimmter Frist widerrief.1
b) Seit der Rezeption sind diese mittelalterlichen Regeln verschwunden.
Doch traten nicht die Regeln des reinen römischen Rechts, die außer der
Altersstuse des 7. noch die des 14. oder 12. Lebensjahrs unterschieden, sondern
zum Teil römische, zum Teil moderne Vorschriften an ihre Stelle. Sie
wichen von den Regeln des bürgerlichen Gesetzbuchs namentlich in folgenden
Punkten ab.2
a) Der Satz, daß einseitige Rechtsgeschäfte, die ein Minderjähriger eigen-
1) Heusler 1 S. 202; Schröder § 355. 2) Regelsberger § 131.