Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

§ 79. Rechtsausübung im Prozeß. 351 
nicht aber auch die Zwangsvollstreckung wider ihn zulässig ist. Beispiel: das Recht des 
Dienstberechtigten auf Dienstleistung (ZP . 888 II). 
Vielfach wird behauptet, die Einrederechte könnten nur im Prozeßwege geltend gemacht 
werden.: Ich halte das für unzutreffend: ein Schuldner kann eine ihm zustehende Einrede 
vollwirksam z. B. auch dann geltend machen, wenn der Gläubiger wegen seines Rechts zur 
Selbsthülfe greift. 
II. Wird ein Recht im Prozeßwege geltend gemacht, so muß der Berech- 
tigte den Tatbestand behaupten, aus dem hervorgeht, daß das Recht in dem von 
ihm angegebenen Umfang ihm wirklich zusteht (Behauptungslast). Doch 
braucht er den Tatbestand nicht zu erschöpfen, sondern kann sich auf die An- 
gabe der Tatbestandsstücke beschränken, aus denen bei regelmäßigem Gang der 
Dinge hervorgeht, daß er das Recht erworben hat. Sache der andern Partei 
ist es dagegen, zu behaupten, entweder, daß der Gang der Dinge kein regel- 
mäßiger gewesen sei und deshalb der Gegner ausnahmsweise das Recht nicht 
erworben, oder aber, daß der Gegner das Recht nachträglich wieder verloren 
habe. Damit erhebt sie nicht etwa eine Einrede in dem früher (oben S. 67) 
genannten Sinn, sondern trotz der positiven Form ihrer Behauptungen be- 
streitet sie das gegnerische Recht. Ein derartiges positives Bestreiten mag, um 
den Gegensatz gegen das Geltendmachen einer „Einrede“ hervorzuheben, als 
Geltendmachen eines „Einwandes“ bezeichnet werden. 
Beispiel. A. hat schriftlich anerkannt, dem B. 1000 Mk. schuldig zu sein, und C. hat 
sich gleichfalls schriftlich für diese Schuld verbürgt. Hier ist es, falls B. den C. verklagt genügend, 
wenn er sich auf diese beiden Taisachen beruft. Dagegen kann C. sich verteidigen: I. indem er 
seine Verpflichtung bestreitet und zwar 1. in negativer Form, etwa so, daß er die Echtheit 
seiner Unterschrift unter dem Bürgschaftsschein ableugnet, oder 2. positiv, etwa so, daß er 
den „Einwand“ erhebt, er sei bei Ausstellung des Bürgschaftsscheins noch minderjährig ge- 
wesen oder habe die Schuldsumme bereiss bezahlt; II. C. kann sich aber auch dadurch ver- 
teidigen, daß er die Bürgschaftsschuld zugibt, aber „einredeweise“ ein Gegenrecht in Anspruch 
nimmt, z. B. das der Vorausklage, der Verjährung. 
Das BeB. ist auf das sorgfältigste bemüht, durch die Art der Formulierung seiner 
Regeln zugleich festzustellen, ob bei Verfolgung eines Anspruchs das Vorhandensein eines 
Tatbestandsstücks vom Berechtigten zu behaupten oder umgekehrt sein Mangel von der Gegen- 
partei ill Wege des Einwandes zu rügen ist. So erlangt z. B., wer eine bewegliche Sache 
vom Nichteigentümer erwirbt, das Eigentum der Sache, vorausgesetzt, daß er in gutem 
Glauben war und die Sache dem bisherigen Eigentümer nicht gestohlen oder sonst abhanden 
gekommen ist; aus der Fassung von B#. 932, 935 geht nun deutlich hervor, daß nicht 
der Erwerber die Erfüllung dieser beiden Voraussetzungen, sondern der bisherige Eigentümer 
deren Nichterfüllung behaupten muß; denn zunächst wird die Erlangung des Eigeniums 
seitens des Erwerbers ohne Rücksicht auf jene beiden Voraussetzungen als Regel angeordnet, 
und erst in zweiter Reihe wird für den Fall der Nichterfüllung einer der Voraussetzungen 
eine „Ausnahme“ von der Regel festgesetzt. 
III. Die Tatsachen, die eine Partei zu behaupten hat, muß sie im Streit- 
fall auch beweisen (Beweislast). Nur wenn für eine dieser Tatsachen eine 
„Vermutung“" spricht oder die Tatsache bei Gericht offenkundig (notorisch) ist, 
2) Zitelmann, Grundriß S. 29; Wendt, Arch. f. ziv. Pr. 92 S. 151.
	        
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