Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

8 80. Begriff des Forderungsrechts. 355 
Von den beiden soeben genannten Merkmalen der Forderungen könnte man das erste 
auch streichen und damit den Begriff der Forderung über das Gebiet des Vermögensrechts 
hinaus auch auf das Gebiet des Personenrechts ausdehnen: Forderung hieße alsdann jedes 
Anspruchsrecht, mag es dem Personen= oder dem Vermögensrecht angehören. Dafür spricht, 
daß sehr viele für die vermögensrechtlichen Forderungen geltenden Regeln zweifellos auch auf 
die personenrechtlichen Ansprüche anwendbar sind, z. B. die Vorschriften über die Erfüllung 
und den Verzug. Dagegen spricht, daß in zahlreichen andern Beziehungen die personen- 
rechtlichen Ansprüche sich wieder von den vermögensrechtlichen Forderungen auf das schärfste 
unterscheiden, z. B. was ihre Vererblichkeit, ihre Abtretbarkeit, ihre Verzichtbarkeit angeht. 
Man müßte also, wenn man den Namen „Forderungen“ auch auf die personenrechtlichen 
Ansprüche übertragen wollte, sofort wieder nach einem kurzen Namen suchen, unter dem 
man die vermögensrechtlichen Forderungen im Gegensatz zu den personenrechtlichen zusammen- 
faßte. Da ist es denn aber doch einfacher, daß man von vornherein darauf verzichtet, den 
Namen Forderung auch auf die personenrechtlichen Ansprüche auszudehnen, zumal uns ja 
für alles, was den vermögensrechtlichen Forderungen und den personenrechtlichen Ansprüchen 
gemeinsam ist, in dem Wort „Anspruch“ ein zusammenfassender kurzer und guter Ausdruck 
ohnedies zur Verfügung steht. 
2. a) Da die Forderungsrechte „Anspruchsrechte“ sind, ist ihre Wirksam- 
keit überwiegend bloß eine relative: sie gewähren ihrem Inhaber eine Rechts- 
macht nur über einzelne bestimmte Personen, die „Schuldner“ der Forderungen 
(oben S. 64). Insofern stehn sie in Gegensatz zu den absoluten, insbesondre 
zu den dinglichen Rechten. 
Siehe das Beispiel oben S. 65. 
b) Obschon jedem Forderungsrecht notwendig ein Anspruch oder eine 
Mehrheit von Ansprüchen innewohnt, darf man doch Anspruch und Forderungs- 
recht nicht identifizieren. Denn es gibt einerseits Ansprüche, die keine 
Forderungsrechte sind, vor allem die personenrechtlichen Ansprüche; und es 
steckt andrerseits in den meisten Forderungsrechten außer einem Anspruch auch 
eine Bestimmungs= und eine Vertrauensmacht (oben S. 65). 
3. Die Forderungen kommen bald als selbständige Rechte, bald als un- 
selbständige Bestandteile zusammengesetzter Rechte vor. Und zwar sind sie in 
letzterer unselbständiger Gestalt auch als Bestandteile absoluter, insbesondre 
dinglicher Rechte anzutreffen: wo auch immer einem dinglichen Recht ein „An- 
spruch“ entspringt, stellt dieser dingliche Anspruch zugleich eine „Forderung“ 
dar. Doch steht natürlich nichts im Wege, den Namen „Forderung“ auf die 
selbständigen Forderungsrechte zu beschränken. Ob diese Terminologie den 
Vorzug vor der unsrigen verdient, sei hier dahingestellt.“ 
Beispiel. Der Eigentümer A. kann, wenn er von B. in seinem Eigentum gestört 
wird, von B. die Beseitigung der Störung beanspruchen (1004). Nach unfrer Terminologie 
besteht kein Bedenken, diesen Anspruch des A., obschon er lediglich ein Ausfluß seines 
Eigentums, also eines dinglichen Rechts, ist, als eine Forderung des A. gegen B. zu be- 
zeichnen. 
II. Jede Forderung ist auf eine Leistung des Schuldners gerichtet (241). 
3) Siber, Rechtszwang S. 139; abw. Langheineken Anspruch, S. 25, 50. 
4) Siehe Hellwig, Lehrb. d. Zivilprozeßrechts 1 (03) S. 217 371. 
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