370 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
sind zwar gleichfalls soviel Forderungen vorhanden als Leistungen, aber die
Forderungen stehn rechtlich in innigem Zusammenhang und sind voneinander
abhängig. Bedeutsam ist die Unterscheidung namentlich für die Frage, ob der
Gläubiger, wenn der Schuldner sich zu einer der Leistungen erbietet, die der
andern aber grundlos verweigert, die Teilleistung zurückweisen darf. 1
Beispiele I. von Leistungen, die nur äußerlich verbunden sind: die Bestellung mehrerer
Bücher bei einem Buchhändler in einem einzigen Bestellbrief; II. von sachlich verbundenen
Leistungen: der Verkauf zweier zusammenhängender Grundstücke in einem einzigen Vertrage
zu einem Gesamtpreise.
b) Leistung und Gegenleistung.
§ 86.
I. 1. Es gibt einseitige Schuldverhältnisse, aus denen ein Forderungs-
recht nur zugunsten einer der Parteien entspringt. Diese allein ist Gläu-
biger, die Gegenpartei allein ist Schuldner. Nur eine einzige Leistung ist
Gegenstand des Rechtsverhältnisses; von einer Gegenleistung ist keine Rede.
2. Diesen einseitigen Schuldverhältnissen gegenüber stehn die zwei-
seitigen Schuldverhältnisse. Aus ihnen entspringt ein Forderungsrecht zu-
gunsten beider Parteien. Jede Partei ist zugleich Gläubiger und Schuldner.
Der Leistung der einen Partei tritt eine Gegenleistung der andern Partei
gegenüber.
a) Die zweiseitigen Schuldverhältnisse können vollkommen zwei-
seitig sein. Alsdann ist jede Leistung der Zweck und das Ziel der Gegen-
leistung: jede Partei wird nur verpflichtet, auf daß ihr auch die andre Partei
verpflichtet werde; Leistung wird gegen Leistung, Pflicht wird gegen Pflicht
ausgetauscht. Verträge, aus denen solch ein vollkommen zweiseitiges Schuld-
verhältnis entspringt, heißen gegenseitig oder synallagmatisch.=
b) Die zweiseitigen Schuldverhältnisse können aber auch unvoll-
kommen zweiseitig sein: die beiderseitigen Leistungen sind hier nicht
Zweck und Ziel füreinander; ein eigentlicher Austausch von Leistung und
Leistung, von Pflicht und Pflicht findet nicht statt.
Beispiele. I. 1. Beim Schenkungsversprechen ist der Geschenkgeber zur Lieferung des ge-
schenkten Gegenstandes verpflichtet, während dem Beschenkten regelmäßig eine Gegenleistung nicht
obliegt: der Geschenkgeber ist nur Schuldner, der Geschenknehmer nur Gläubiger. Das Schuld-
verhältnis ist also ein einseitiges. 2. Ahnlich steht es bei der Auslobung, dem abstrakten
Schuldversprechen, den Delikten, der ungerechtfertigten Bereicherung. II. 1. a) Beim Kauf ist
der Verkäufer zur Lieferung der Ware, der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet:
alle beide Parteien sind sowohl Schuldner wie Gläubiger. Das Schuldverhältnis ist also ein
zweiseitiges. Und zwar übernimmt jede Partei die ihr obliegende Verpflichtung nur zu dem
1) Siehe auch RG. 57 S. 6, 99.
-#1) Regelsberger, Jahrb. f. Dogm. 40 S. 249; Krahmer, gegenseitige Verträge (04);
Ortmann, Ztschr. f. Rechtspfl. in Bayern 1 S. 10, 47.
2) Siehe RE. 65 S. 47, 66 S. 426.