Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

IV Vorwort. 
Reichtum an subtilen Kontroversen, immer wieder die ganze Praxis mit ihrer 
erdrückenden Fülle von Kasuistik aufgeführt findet. 
Nicht ganz so leicht wie der fachkundige Leser wird der Anfänger dies 
Buch zu handhaben wissen. Er lasse sich deshalb ein paar Ratschläge von 
mir gefallen. 
Der Anfänger, der mein Buch zu benutzen gedenkt, beachte zunächst, daß 
es in zwei fortlaufende durch größeren und kleineren Druck deutlich unter- 
schiedene Teile zerfällt, von denen ich den einen als „Text“, den andern als 
„Anmerkungen" bezeichnen möchte, und behalte stets im Auge, daß für ihn, 
den Anfänger, einzig und allein der Text und diejenigen Anmerkungen be- 
stimmt sind, die sich durch das Stichwort „Beispiele“ einführen, während er 
die übrigen Anmerkungen, will er wirklich methodisch studieren, einfach über- 
schlagen soll, — es müßte denn sein, daß er besondern Anlaß hat, schon 
bei Beginn seines Studiums irgendeine einzelne Rechtsmaterie genauer durch- 
zuarbeiten. Hält er sich an diesen Rat, so wird er finden, daß der Text 
des Buchs eine geschlossene Darstellung für sich bildet, die an keiner Stelle 
auf die Anmerkungen verweist und also ein getrenntes Studium für sich 
wohl verdient. 
Der Anfänger, der nach meinem Buch studieren will, erwäge ferner, daß 
er schon bei der ersten Lektüre des Textes sofort die zugehörigen „Beispiele“ 
mitlesen sollte. Denn gerade wie man nicht dadurch turnen und schwimmen 
lernt, daß man sich Turn= und Schwimmregeln einprägt, sondern nur dadurch, 
daß man wirklich turnt und schwimmt, gerade wie man Mathematik und 
Physik nur dadurch erfaßt, daß man neben dem Durcharbeiten der mathe- 
matischen und physikalischen Gesetze auch mathematische Aufgaben löst und 
physikalische Experimente anstellt, gerade ebenso wird man des bürgerlichen 
Rechts nur dann Herr, wenn man den großen Normenschatz des bürgerlichen 
Rechts Norm für Norm an praktischen Beispielen erprobt. Das ist freilich nicht 
leicht. Doch tröste sich der junge Jurist damit, daß auch dem jungen Mathe= 
matiker die Lösung seiner Aufgaben, dem jungen Physiker die Durchführung 
seiner Experimente erhebliche Schwierigkeiten bereitet und daß er, der Jurist, 
keinen Anlaß zu der beschämenden Annahme hat, sein Studium solle oder 
dürfe leichter sein als das des Mathematikers oder Physikers. Und er ver- 
falle ja nicht auf den Gedanken, meine Beispiele hastig durchfliegen zu wollen, 
weil schon der erste Versuch dazu ihn aufs äußerste ermüden und ihm das 
Studium der Beispiele für immer verleiden würde, sondern gehe mit be- 
sonnener Ruhe an das Werk! Vielleicht wird er alsdann nicht bloß Nutzen 
von meinen Beispielen, sondern sogar Freude daran haben. Ab und zu wird 
ihn freilich der einförmige trockne Ton der Beispiele stören, und er wird an 
den blutlosen Schemen der A., B. und Genossen Ärgernis nehmen, die ge- 
spensterhaft immer wieder vor ihm auftauchen und verschwinden. Doch helfe 
er hier mit eigner Phantasie nach und dichte nach Gefallen kleine Einzelheiten
	        
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