Erstes Buch.
Die allgemeinen Lehren.
Erster Abschnitt.
Die Rechtsregeln.
I. Die Q#uellen der Rechtsregeln.
I. Allgemeines.
88.
I. Quelle einer Rechtsregel ist der Tatbestand, kraft dessen die Ange-
hörigen eines bestimmten Rechtsgebiets — Volk wie Behörden — verpflichtet
sind, die Regel zur Anwendung zu bringen oder wenigstens sich ihr zu fügen.
1. Die erste Quelle ist das Gesetz, d. h. die Tatsache, daß die höchste
Staatsgewalt im Rechtsgebiet die Anwendung einer Regel ausdrücklich befiehlt.
Denn man ist in jedem Rechtsgebiet der dort bestehenden höchsten Staats-
gewalt Gehorsam schuldig.
2. Die zweite Quelle ist die Gewohnheit, d. h. die Tatsache, daß
innerhalb des Rechtsgebiets eine Regel in der jüngsten Vergangenheit ge-
wohnheitsmäßig als Recht angewendet worden ist. Denn hat sich einmal eine
solche Gewohnheit festgesetzt, so muß man bei ihr verbleiben, da andernfalls
das Vertrauen in die Ständigkeit der Rechtsordnung erschüttert werden würde.
3. Die dritte Quelle ist die Rechtsanalogie, d. h. die Tatsache, daß
1) Leonhard, d. allg. Teil des BGB.# (0O0); Kommentare zu Buch I des BGB.s von
Hölder (00), Gareis (00), Planck 3. Aufl. (03), Löwenfeld u. Riezler 3. Aufl. (07).
2) Brie, Lehre vom Gewohnheitsrecht 1 (99); Sturm, Revision der gemeinrechtl. Lehre
vom Gewohnheitsrecht (00); Stier-Somlo, Volksüberzeugung als Rechtsquelle (00); Neu-
kamp, Arch. f. BR. 12 S. 89; Krückmann, Jahrb. f. Dogm. 38 S. 191; Crome ebenda 39
S. 323; Jung, von der logischen Geschlossenheit des Rechts, in der Gießener Festgabe für
Dernburg (00); ders., positives Recht (07); Rumpf, Gesetz und Richter (06); Brütt, Kunst
der Rechtsanwendung (07).