8 91. Schadensersatz. Kausalzusammenhang. 385
denn wenn er den B. nicht geschlagen hätte, wäre B. auch nicht gestorben. II. Dagegen
muß man nach der Theorie des adäquaten Kausalzusammenhanges folgende Unterscheidung
machen. 1. War es allgemein bekannt, daß B. herzleideud war, so ist A. für seinen Tod
haftbar; denn für einen herzkranken Menschen bedeutet ein derber Stockschlag auf den Rücken
„generell“ eine „nicht unerhebliche“ Lebensgefahr; daß die Herzkrankheit B.s zufällig ge—
rade dem A. nicht nur unbekannt, sondern auch unerkennbar war, — B. sah vielleicht blühend
aus und begegnete dem A. zum erstenmal im Leben! — macht keinen Unterschied. 2. War
das Herzleiden B.s nicht allgemein bekannt, so ist A. haftfrei; denn für einen normalen
Menschen bedeutet ein derber Stockschlag auf den Rücken „generell“ eine nur „unerhebliche
Lebensgefahr“; doch wird, wenn das Herzleiden B.s zufällig gerade dem A. erkennbar war
— A. war vielleicht, ehe er zum Schlage ausholte, von B. verwarnt worden! — eine Aus-
nahme gelten; 5 die Ausnahme ist freilich vom Standpunkt der Theorie des adäquaten Kausal-
zusammenhangs, die allein auf das „Generelle“ sieht, schwer zu begründen. III. Unfsr#e
Billigkeitstheorie endlich führt zu einem Ergebnis, das teils strenger, teils milder ist als das
Ergebnis zu II. 1. Es ist strenger: denn nach unfrer Theorie können wir A., auch wenn
das Herzleiden B.s weder allgemein bekannt, noch für A. erkennbar war, dennoch für den Tod
B.s haften lassen, sobald die Billigkeit es fordert, also etwa dann, wenn A. den B. nicht
bloß zum Spaß, sondern aus Bozsheit geschlagen hat. 2. Es ist milder: denn nach unfrer
Theorie können wir, auch wenn das Herzleiden B.s allgemein bekannt war, den A. haftfrei
lassen, sobald die zarte Konstitution B.s gerade für A. nicht erkennbar war und auch sonst
ein Billigkeitsgrund fehlt, den A. für die Komplikation, die B.s Krankheit mit sich brachte,
verantwortlich zu machen.
Eine Vermittlung zwischen der Theorie des adäquaten Kausalzusammenhanges und
der oben vertretenen Billigkeitstheorie versucht M. Rümelin; er verteidigt zwar grundsätzlich
die erstere, gibt aber zu, daß man sie aus Billigkeitsgründen nicht streng durchführen könne.“
2. Innerhalb des durch die Definition zu 1. abgesteckten Rahmens kann
der von dem Schadensersatzschuldner dem Gläubiger zu erstattende Schaden
von mannigfacher Art sein.
a) Der Schaden kann unmittelbar durch den zum Ersatz verpflichtenden
Umstand verursacht oder nur die mittelbare Folge dieses Umstandes sein.
b) Der Schaden kann das Vermögen des Geschädigten betreffen oder
ideeller Art sein.
c) Der Schaden kann, wenn er Vermögensschaden ist, entweder positiver
Art (damnum emergens) sein oder in entgangenem Gewinn (lucrum cessans)
bestehn. Und zwar ist letzterer schon dann zu erstatten, wenn der Geschädigte
ihn mit Wahrscheinlichkeit erwarten konnte, sei es nach dem gewöhnlichen Gang
der Dinge, sei es nach besondren Umständen, also namentlich nach den von
ihm getroffenen Anstalten und Vorkehrungen (252).
d) Der Schaden kann entweder bei Eintritt des die Ersatzpflicht be-
gründenden Umstandes voraussehbar oder ein völlig unerwarteter gewesen sein.
Beispiele. I. Bei einer Brandstiftung haftet der Täter nicht bloß für den von ihm
verursachten Brandschaden im engern Sinn, mag er in der Tötung oder Verletzung von
Personen, mag er in der Zerstörung oder Beschädigung von Sachen bestehn, sondern auch
für den Schaden, der beim Löschen des Brandes oder beim Retten der vom Brande er-
griffenen oder bedrohten Personen oder Sachen angerichtet wird. Ja er ist sogar haftbar,
wenn sich Diebe den durch den Brand entstandenen Wirrwarr zunutze machen und aus den
5) Träger a. a. O. S. 161.
6) M. Rümelin a. a. O. S. 300.
Cosack, Bürgerl. Recht. 5. Aufl. I. 25