386 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
brennendenk#oder vom Brande bedrohten Gebäuden Wertsachen entwenden. II. Wird bei dem
eben erwähnten Brande A., ein Einwohner eines der vom Feuer bedrohten Häuser, vor Schreck
gelähmt, so ist der Brandstifter auch hierfür ersatzpflichtig und zwar auch dann, wenn A. in
seiner Familie ohne Arzt verpflegt und, da er ohnehin nichts verdiente, auch in seinem Er-
werbe nicht benachteiligt wird, also einen Vermögensschaden durch die Lähmung nicht er-
fährt. Zu vergüten sind hier also nur die seelischen Leiden, die ihm seine Lähmung bringt.
III. „Bei dem Brande sind auch die Ateliers der Bildhauer B. und C. mit allem, was
darin befindlich war, zerstört worden: insbesondre sind einige Modelle zugrunde gegangen,
die sowohl B. wie C. unabhängig voneinander zwecks Bewerbung um einen von der Re-
gierung ausgesetzten Preis angefertigt hatten; da die Modelle nicht binnen der für die Be-
werbung festgesetzten Frist wiederhergestellt werden können, geht beiden Bildhauern die
Chance, einen Preis zu gewinnen, verloren. Hier ist dem B. und dem C. zunächst der
Wert, der ihren Modellen an und für sich zukommt, zu ersetzen. Außerdem ist aber einem
jeden, sofern er beweisen kann, daß er „wahrscheinlich"“ für sein Modell einen Preis von
bestimmter Höhe erhalten haben würde, auch für diesen Preis Ersatz zu gewähren; war die
Chance, daß B. und C. einen bestimmten Preis gewinnen würden, für einen jeden 50 %,
so ist jedem der halbe Preis zu vergüten (Analogie von 659 II, 661 III); war die Chance
für einen jeden 33½1%, da noch ein dritter Konkurrent mit gleich guten Aussichten vor-
handen war, so ist ihnen ein Anspruch auf eine Vergütung für die ihnen entgangene Ge-
winnchance ganz zu versagen, selbst wenn sie sich zusammentun und ihre Gewinnchancen
mit 662/8 % gemeinsam geltend machen. IV. Ein Nachbar der beiden Bildhauer, D., hatte
eine halbe Stunde vor Ausbruch des Brandes durch eingeschriebenen Brief den Betrag eines
ihm angefallenen Vermächtnisses mit 100000 Mk. in Banknoten empfangen; er gedachte
das Geld unverzüglich zum Bankier zu bringen; das jäh ausbrechende Feuer hat ihn aber
daran verhindert, und die Banknoten sind mit verbrannt. Hier ist auch für diese 100 000 Mk.
Ersatz zu gewähren, und zwar selbst dann, wenn D. und alle andern Einwohner des ab-
gebrannten Hauses und der ganzen Nachbarschaft als arme Schlucker galten, bei denen nie-
mand einen Barbesitz von 1000, geschweige denn von 100000 Mk. vermutete.
3. Die vorstehenden Regeln zeigen, daß unser Recht den Umfang des
Schadensersatzanspruchs subjektiv und individnell bestimmt. Nicht darauf kommt
es an, welche schädlichen Folgen das dem Ersatzanspruch zugrunde liegende
Ereignis im allgemeinen mit sich zu bringen pflegt und wie hoch man durch-
schnittlich diese Folgen abschätzt. Entscheidend ist vielmehr, welche schädlichen
Folgen das Ereignis tatsächlich im Einzelfall mit sich bringt und wie hoch
diese Folgen mit Rücksicht auf die besondern Verhältnisse der geschädigten
Person abzuschätzen sind. Man drückt dies auch dahin aus, daß der Gegen-
stand des Schadensersatzanspruchs das gesamte Interesse des Ge-
schädigten ist.
V. 1. Ein Schadensersatzanspruch ist unbedingt ausgeschlossen, soweit der
Schaden ein vom Gesetz mißbilligtes Interesse betrifft.
Beispiel. Kandidat A. hat sein Examen nicht bestanden; in seiner Wut überfällt er
den Repetitor B., dem er all sein Wissen verdankt, und verletzt ihn so schwer, daß B. eine Zeit-
lang erwerbsunfähig wird; auf Ersatz für den dem B. entgangenen Verdienst belangt, wendet
A. ein, daß B. sein Gewerbe in unehrlicher Art betreibe, indem er mit jedem seiner Hörer
die diesem aufgegebenen Examensarbeiten bis in alle Einzelheiten bespreche und ihn plan-
mäßig darauf drille, einzelne ungeschickte Examinatoren über seine Unwissenheit zu täuschen.
Hier kann B. insoweit, als A. diese seine Behauptungen zu beweisen vermag, einen Ersatz
für die ihm verloren gegangenen Einnahmen nicht beanspruchen.
2. Ein Schadensersatzanspruch ist je nach den Umständen ausgeschlossen,