390 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
wenn er wegen Simulation, wegen Mangels der Vertretungsmacht oder wegen
objektiver Unmöglichkeit der Vertragsleistung ungültig ist, wird die Person, die
hierfür verantwortlich gemacht werden kann, der Gegenpartei zu Schadens-
ersatz verpflichtet. Doch kann die Gegenpartei nicht fordern, daß der Zustand
hergestellt wird, der vorhanden sein würde, wenn der ungültige Vertrags-
schluß gültig gewesen wäre; denn sie hat ja auf den gültigen Abschluß, auf
das positive Zustandekommen des Vertrages kein Recht gehabt; man drückt dies
auch dahin aus, daß sie nicht die Vergütung ihres positiven Vertrags-
interesses verlangen kann. Wohl aber kann die Gegenpartei fordern, daß
der Zustand hergestellt wird, der vorhanden sein würde, wenn der ungültige
Vertragsschluß ganz unterblieben wäre; insbesondre ist ihr der Schaden zu
ersetzen, den sie dadurch erlitten hat, daß sie sich auf die Gültigkeit des Ver-
trages verlassen und auf seine Erfüllung gerechnet hat; man sagt demgemäß,
daß sie die Vergütung ihres negativen Vertragsinteresses verlangen
kann. Sollte übrigens ausnahmsweise das positive Interesse geringer sein
als das negative, so muß sich die Gegenpartei mit der Erstattung des ersteren
begnügen (122, 179 II, 307, 309; s. aber auch 179 D.
Beispiele siehe oben S. 259, 295 c 9 und unten 407 IV.
III. Wer nicht bloß, wie in den zuletzt erwähnten Fällen, sein negatives,
sondern sein volles positives Interesse an der Vertragserfüllung ersetzt ver-
langen kann, darf dies häufig nach eigner Wahl in zwiefacher Art tun.
1. Er kann nämlich darauf bestehn, daß der Schuldner die eigentliche
Vertragsleistung nach wie vor bewirke und nur zusätzlich zu ihr, namentlich
weil sie zu spät oder am falschen Ort oder in unrichtiger Art erfolgt, noch
den Ersatz seines Schadens fordern. Man spricht alsdann von Schadensersatz
wegen verspäteter oder sonst ungehöriger Erfüllung.
2. Oder er kann auf die eigentliche Vertragsleistung ganz verzichten und
also den Schadensersatz nicht zusätzlich zu der Vertragsleistung, sondern an
deren Stelle fordern. Man spricht alsdann von Schadensersatz wegen Nicht-
erfüllung.
IV. 1. In einigen wichtigen Fällen kann ein Gläubiger Schadensersatz in
bestimmter Höhe fordern, ohne nachweisen zu müssen, daß sein Schaden wirk-
lich diese Höhe erreicht, ja sogar, ohne den Gegenbeweis fürchten zu müssen,
daß sein Schaden tatsächlich geringer oder ein Schaden überhaupt nicht ent-
standen ist.
Beispiel. Bei Geldschulden muß ein in Verzug geratener Schuldner dem Gläubiger
unter allen Umständen 4% Verzugszinsen zahlen, auch wenn der Gläubiger selber zugesteht
daß er bei rechtzeitiger Zahlung das Geld nur zu 3 % angelegt haben würde (288).
2. Diese „typische“ Schadensberechnung gibt aber meistens nur den
Mindestbetrag des vom Schuldner zu leistenden Schadensersatzes an; kann
1) Brock, negatives Vertragsinteresse (02); RG. 58 S. 327.