398 Buch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen.
Beispiele. I. A. hat seine Villa durch den Baumeister B. und den dazugehörigen
Garten durch seinen Gärtner C. instand setzen lassen; dem B. ist er dafür noch 500 Mk.
schuldig, während er dem C. für dessen Mühewaltung eine freiwillige Gratifikation von
200 Mk. zu geben gedenkt; gleich darauf sieht er sich zu einer mehrjährigen Reise genötigt,
verkauft deshalb die Villa an D. und macht mit diesem aus, daß D. sowohl die 500 Mk.
an den Baumeister B. wie die 200 Mk. an den Gärtner C. zahlen solle. Hier wird vermutet,
daß der Baumeister B. als Gläubiger A.# ein Recht gegen D. nicht erlangt. Dagegen hat
die Auslegung wegen des Gärtners freie Hand, da es sich bei dessen 200 Mk. nicht um
eine Schuld, sondern um eine freie Gabe A.# handelt; ich möchte annehmen, daß dem Gärtner
ein Recht gegen D. unbedenklich zugesprochen werden muß. II. E. schenkt dem F. die Hälfte
seines Parkgrundstücks, während er die andre Hälfte an G. verkauft; dabei macht er mit F.
und G. aus, daß, solange sich das Nachbargrundstück im Besitz H.Ss befindet, H. und dessen
Angehörige den Park jederzeit betreten dürfen. Hier wird vermutet, daß H. und jeder seiner
Angehörigen gegen den Beschenkten F. ein Recht auf Eintritt in den Park hat. Dagegen
hat die Auslegung wegen des Käusers G. freie Hand; ich möchte annehmen, daß, falls G.
von den Abmachungen zwischen E. und F. nichts gewußt hat, ein unmittelbar gegen G.
wirksames Recht auf Eintritt in den Park dem Nachbarn H. persönlich zuzubilligen, dagegen
den einzelnen Angehörigen H.8 zu versagen ist.
Hellwig? meint: I. einschränkend, daß die Vermutung zu § nur anwendbar sei, wenn
die zu gunsten des Dritten bedungene Leistung eine unentgeltliche Zuwendung des Ver-
sprechensempfängers an den Dritten darstelle, II. ausdehnend, daß, wenn dies der Fall, die
Vermutung ohne Rücksicht auf das zwischen dem Versprechenden und dem Versprechens-
empfänger bestehende Kausalverhältnis, also auch z. B. bei einem zwischen beiden abge-
schlossenen gewöhnlichen Kauf, Verwahrungsvertrage usw., Platz greife. Ich kann diesen
beiden Sätzen nicht beipflichten, am wenigsten dem zweiten.
II. Wird ein Vertrag, der auf eine Leistung an einen Dritten geht, in
der Art abgeschlossen, daß der Dritte ein eignes Recht auf die Leistung er-
wirbt, so sagt man, der Vertrag sei zugunsten des Dritten errichtet.
Für derartige Verträge gelten folgende Regeln.
1. Der Inhalt der Verträge zu gunsten Dritter kann ebenso frei bestimmt
werden, wie der Inhalt der (obligatorischen) Verträge zu eignen Gunsten.
Hervorgehoben sei, daß der Versprechensempfänger ein eignes Vermögensinteresse an
der für den Dritten bestimmten Leistung nicht zu haben braucht. Es ist also z. B. zulässig,
daß jemand mit einem reichen Geizhalse bindend vereinbart, dieser solle in eignem Namen
geschenkweise seinen verarmten Geschwistern eine Jahresrente von 10000 Mk. zahlen oder
eine ihm gehörige Baustelle zum Zweck eines Theaterbaues für einen bestimmten billigen
Preis an die Stadt verkaufen.
2. Der Vertragsschluß zugunsten eines Dritten bedarf der gleichen Form
wie der Vertragsschluß zu eignen Gunsten; maßgebend ist also lediglich das
Rechtsverhältnis der Vertragsparteien untereinander, während die Beziehungen
der Parteien zu dem Dritten für die Form des Vertrages außer Betracht
bleiben.“
Beispiel. A. verkauft seine Bibliothek an B., indem er sich ihre Benutzung auf Lebens-
zeit vorbehält; das Recht auf den Kaufpreis, der erst nach A.S Tode zahlbar ist, soll der
Witwe A.s zustehn. Hier bedarf der Vertrag nicht etwa mit Rücksicht auf das Verhältnis
2) Hellwig S. 153 ff. Ihm tritt teilweise bei Dernb., BR. 2 s 1055.
3) Abw. Hellwig S. 50, 60.
4) Hellwig S. 68.