Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Erster Band. Die allgemeinen Lehren und das Recht der Forderungen. (1)

406 Auch II. Abschnitt 1. Das Recht der Forderungen im allgemeinen. 
Talisman das Viergespann zu zerstören. Hier kann C., wenn er auf irgendeinem Schadens- 
ersatzanspruch gegen D. besteht, den Talisman nicht zurückfordern; denn, als er ihn dem 
D. zuschickte, wußte er ja, daß er dazu nicht verpflichtet war; es fehlt also an einem Rechts- 
grunde zu der Zurückforderung (s. 814). Anders wenn. C. auf einen Schadensersatzanspruch 
verzichtet und vom Tauschvertrage ganz zurücktritt; denn hiermit hat C. sich einen gültigen 
Rechtsgrund für die Zurückforderung des Talisman neu geschaffen (346, 327 Satz 1). 
Lebhaft umstritten ist die Frage, ob der Gläubiger in dem zu a behandelten Fall 
wirklich, wie ich annehme, seine eigne Gegenleistung verweigern und doch Schadensersatz 
wegen Nichterfüllung fordern darf.“ Für meine Annahme spricht, daß der Schadensersatz wegen 
Nichterfüllung nur als das genommen werden darf, was er wirklch ist, nämlich als Ersatz 
des „Schadens“, den die Gegenpartei durch das Ausbleiben der unmöglichen Leistung er- 
leidet, nicht aber als Ersatz der „Leistung“ selber. Es wäre also Willkür, wenn man eine 
Partei, die Schadensersatz wegen Ausbleibens der Leistung erhält, so behandelte, als habe 
sie die Leistung selbst erhalten. Das Gesetz hat sich denn auch wohl gehütet, die Gleichung 
„Schadensersatz wegen Ausbleibens der Leistung — Leistung“ irgendwo aufzustellen; es 
würde ja auch durch die Ausstellung dieser Gleichung mit sich selbst in Widerspruch geraten, 
da es, wie wir gesehn haben, regelmäßig dem Geschädigten nur Ersatz des Vermögens- 
schadens mit Ausschluß des Affektionsinteresses zuspricht, also selber dafür sorgt, daß der 
Schadensersatz für Nichtleistung sich mit der Leistung nur unvollkommen deckt. Ist es aber 
richtig, daß der Schadensersatz wegen Nichtleistung der Leistung nicht gleichgesetzt werden darf, 
so ist klar, daß die Gegenpartei, die ihre Gegenleistung nur als Entgelt für die Leistung 
versprochen hat, von ihrer Gegenleistungspflicht frei ist, wenn sie statt der Leistung nur 
Schadensersatz wegen Nichtleistung erhält. Die Richtigkeit unfrer Auffassung wird durch 
unser Beispiel des Umtausches der Pferde Talbot und Talisman bestätigt. Denn es wäre 
doch eine geradezu groteske Ungerechtigkeit, wenn C., um von D., dessen Schuld unstreitig fest- 
steht, irgendwelchen Schadensersatz zu erlangen, wirklich den Talisman an D. ausliefern und 
damit sein Viergespann, statt es zu verbessern, völlig zerstören müßte. 
2. Etwas einfacher ist die Rechtslage, wenn bei einem gegenseitigen Ver- 
trage die einer der Vertragsparteien obliegende Leistung schon beim Vertrags- 
schluß unmöglich war. 
a) Bestand die Unmöglichkeit nur subjektiv für den Schuldner und hat 
der Gläubiger sie beim Vertragsschluß weder gekannt noch kennen müssen, so 
ist ihm dasselbe Wahlrecht zuzusprechen wie bei einer Unmöglichkeit, die erst 
nachträglich eintritt und vom Schuldner vertreten werden muß (s. oben 1 a). 
Das Gesetz hat die Frage freilich schweigend übergangen. 
b) War die Unmöglichkeit eine objektive oder hat der Gläubiger sie beim 
Vertragsschluß gekannt oder kennen müssen, so ist von einem Wahlrecht des 
Gläubigers keine Rede. Vielmehr kommt nicht bloß seine Forderung auf die 
unmögliche Leistung, sondern auch die Forderung der Gegenpartei auf die 
mögliche Leistung von Rechts wegen in Fortfall, gerade wie bei einer Unmög- 
lichkeit, die erst nachträglich eintritt und von keiner der Vertragsparteien ver- 
treten werden muß (s. oben 1·c) — eine Folge davon, daß in den hierher ge- 
hörigen Fällen der gegenseitige Vertrag in vollem Umfang nichtig ist. 
Beispiele. I. A. hat laut Vertrag mit B. den Austausch seines Hauses z gegen das 
angeblich dem B. gehörige Haus Fy vereinbart; doch gehört y in Wahrheit dem C., und es 
ist im Grundbuch, das fälschlich als Eigentümer von y den B. angibt, auf Antrag C.s eine 
4) Dafür R. 50 S. 263, 66 S. 67; Schöller bei Gruchot 44 S. 603; dagegen 
Planck und Ortmann zu § 325, Endemann 1 § 125°7 Kisch, Jahrb. f. Dogm. 44 S. 68.
	        
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